Auseinandersetzung mit der Obersten Heeresleitung.
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über den Narew und den Vug kommen und die von der Obersten Heeres¬
leitung geforderte Wirkung auf die Kämpfe bei Lublin ausüben würden').
Daher böte sich jetzt vielleicht doch Gelegenheit, die neuen Divisionen gegen
die russische Njemen-Front einzusetzen.
Inzwischen hatten aber die Creignisie des 20. Juli die Aussicht, rasch
über den Narew zu kommen, erheblich gemindert^). Cs schien, daß der
Gegner vor der 9. Armee Kräfte wegzog und dadurch seine Narew-Front
verstärkte. So hielt der Oberbefehlshaber Ost jetzt scharfes Zufassen der
9. Armee für möglich und auch notwendig. Cr gab ihr abends den Befehl,
die feindlichen Stellungen auf dem linken Weichsel-Afer zu durchbrechen, um
oberhalb von Warschau den Strom zu überschreiten^). Er begegnete sich
dabei mit den Gedanken des Generals von Falkenhayn^). Er dachte an Zu¬
sammenwirken mit dem linken Flügel der Armee-Abteilung Woyrsch und
wurde in diesem Sinne möglicherweise auch bei der Obersten Heeresleitung
vorstellig^). Im übrigen traf er nunmehr die ersten Anordnungen für die
Einschließung von Nowogeorgiewsk.
Am 21. Juli morgens ging die Entscheidung des Generals v o n F a l -
k e n h a y n ein. Mochte schon der nicht voll befriedigende Verlauf des
20. Juli an der Narew-Front leise Zweifel bei ihm wachgerufen haben, ob
sich die hochgespannten Hoffnungen erfüllen würden, die er gerade in den
letzten Tagen an die Gesamtoperation geknüpft hatte, so mußte es ihn
vollends nachdenklich stimmen, daß inzwischen auch die Offensive der Heeres¬
gruppe Mackensen vor unerwartet hartnäckiger Gegenwehr zum Stillstand
zu kommen drohte. Trat das ein, so war das Gelingen der ganzen Ope¬
ration in Frage gestellt. Dringendstes Erfordernis schien es ihm daher,
den Angriff auf die Narew-Front in Fluß zu halten. Cr teilte General
Ludendorff mit: „Da die Lage zwischen Vug und Weichsel baldige Ent¬
lastung durch den Stoß von Norden dringend verlangt, kann ich zu meinem
') Im Entwurf des Gen. von Falkenhayn vom 20. Juli zu einem Schreiben an
Gen. Ludendorff, das aber nicht abgesandt worden ist, heißt es: „Wenigstens sagte
mir Tappen, Sie hätten — in Abweichung von Ihrer und des Feldmarschalls Ansicht
in Posen — gemeint, die Kräfte der Armeen Gallwitz und Scholtz würden vollkommen
genügen, den Angriff über den Narew und den Vug so weit vorzutragen, daß ihre
Einwirkung auf die Creignisie bei Lublin sicher wäre."
2) S. 308 f. — --) S. 336. — 4) S. 315.
6) Major von Fleischmann brachte in einem Gespräch mit der ö.-u. Heeresleitung
in der Nacht zum 22. Juli zum Ausdruck, daß der damals auch von der O. H. L. er¬
wogene Vorstoß der Armee-Abteilung Woyrsch über die Weichsel (S. 397 f.) zuerst
»on Gen. Ludendorff angeregt worden sei (Akten des Kriegsarchivs Wien).