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Schutz dem künstlerischen Stadtbilde!
(Fortsetzung nach Oberbaurat Ludwig Bauer.)
Auch unsere Stadt gehörte niemals zu jenen
Städten, die vom Bädecker mit einem Stern be
dacht waren, es war eben ein kleines Land
städtchen, und doch hat es sein Sehenswertes.
Länger als anderSwo hat sich hier die trationelle
Bauweise erhalten. Es gibt noch ansehnliche
Reste alter Stadtmauern mit ehrwürdigen Toren,
malerische Stadt- und Wallgräben. Wenn ich,
schreibt Oberbaurat Bauer, an die Tage meiner
Kindheit zurückdenke, ist die Erinnerung
mit dem traulichem Stadtbilde innig verknüpft.
Mit wahrer Freude benütze ich daher die Gelegen
heit, das erblassende Bild aus der Jugendzeit
endlich wieder durch Augenschein aufzufrischen.
Doch schon beim Betreten des Städtchens erlebte
ich die erste Enttäuschung. Das schöne Stadttor
war gefallen und der pitoreSke Stadtgraben zu
langweiligen städtischen Anlagen und allerlei
gärtnerischen Schnick-Schnack umgewandelt. An
Stelle der alten Stadtmauer steht ein unge
schlachtes kasernartigeS Gebäude. In der schwachen
Hoffnung, daß sich die Zerstörungs- und Ver-
häßlichungssucht vor der Stadt ausgetobt hat,
betrat ich die innere Stadt. Weg war der
Zauber, von dem schönen Gibelhause, da§ an
daS ehemalige Stadttor angebaut war, mußte
der charakterische Bau obigen Gibels. herunter
und gar manches HauS in den geschloffenen Reihen
ereilte das gleiche Schicksal. Das baroke Rat
haus, das dem Stadtplatz einen so stilvollen und
einheitlichen Abschluß gab, es mußte einer ver
unglückten gothisierenden Bauweise weichen, die
wie ein verlorenes Kind in der ihm fremden
Umrahmung vergeblich um Anschluß schreit.
Der uralte Stadtbrunnen inmitten des
Stadtplatzes, ich konnte ihn nicht mehr finden,
an seiner Stelle stand ein neuer figuraler Brunnen
aus Erz. Die heimischen Lauben, die freund
liche Nachbarschaft des alten Rathauses aus alter
Zeit, auch diese vermißte ich als einstmaliger
trauter Bekannter, haben wir uns in ihr und
um sie am häufigsten herumgetummelt.
Da wendete ich mich von dannen und dachte:
Verwüstung des Schönen und Traulichen in so
wenigen Jahren! Aus dieser Stimmung wurde
ich durch den Gruß eines Bekannten gerissen. Die
üblichen Freudenbezeugungen des Wiedersehens
und dann begann er : „Aber nicht wahr, seit der
Zeit, da sie die Stadt nicht mehr gesehen haben,
hat sie sich doch sehr verändert und verschönt?"
Ich habe diese Geschichte wahrheitsgemäß erzählt,
jeder Leser kann sich in seine Vaterstadt zurück
versetzen und er wird ähnliche Wahrnehmungen
machen. Das haben wir getan. Ja in vielen
Städten wird geradezu Rührigkeit und Eifer
entfaltet, ein Altes und Schönes niederzureißen
und an Stelle dessen Gräßliches zu setzen.
In wenigen, aber gewiß beachtenswerten
Sätzen kommt Oberbaurat Bauer zu einem ge
meinverständlichen Schluffe seiner Betrachtungen,
indem derselbe schreibt: »Verbesserung sanitärer
Zustände, Forderungen des Verkehrs und hundert
andere Notwendigkeiten einer aufstrebenden Stadt
werden immer dazu treiben, daß Altes fällt und
Neues an dessen Stelle gesetzt wird. Materielle
Interessen des Einzelnen und ideale Interessen
der Allgemeinheit werden oft im krassen Gegen
satze zu einander stehen und es ist dann Sache
jener Organe, die die Macht in Händen haben,
diese Macht in dem einen oder anderen Sinne
zu betätigen. Ich will den guten Willen der in
Bausachen zuständigen Machthaber gar nicht be
zweifeln ; jeder Bürgermeister und Stadtverord
neter, ja jeder einfache Bürger hat sicher den
Wunsch, daß die Stadt, in der er lebt, schön
bleibe, sich entwickle und von etwaigen Uebel
ständen, die ihr anhaften, befreit werde. Das
Unglück wollte eS nur, daß man in den letzten
50 Jahren von wirklicher „Stadtschönheit" so
wenig verstand. Vielleicht waren wir zu sehr mit
anderen Dingen beschäftigt; denn in diese Zeit
fällt der ungeheure Aufschwung der Technik, der
einen Großteil der Intelligenz in ihre Bahnen
gezwungen hat. Und so hören wir nur ganz
vereinzelnt warnende Stimmen gegen die Zer
störung schöner alter Stadtbilder sich erheben,
und noch seltener begegnet man Versuchen, durch
Taten derartige Stadtbilder zu schützen und not
wendige neue Bauten der alten Schönheit an
zupassen."
Jedem im dargetanen Sinne Eindrucks
empfänglichen sind diese Worte aus der Seele
geschrieben. Dabei hat es jedoch noch nicht sein
Bewenden. ES folgen Vorschläge, in welcher
Weise vorzusehen wäre, um den Gedanken an die
Erhaltung des Alten, Schönen auch Kraft und
Unterstützung zu leihen.
Diese gipfeln im wesentlichen darin, daß
die Bauordnung in allen Fällen, wo städtebauliche
Rücksichten eine Ausnahme rechtfertigen, solche
ausdrücklich erlauben und daß bei Begutachtung
der zur Ueberprüfung vorgelegten Baupläne, auch
insoferne sich dieselben auf Um- und Zubauten
erstrecken, fachkünstlerischer Vertretung ein be
stimmendes Urteil eingeräumt wird.
Seit jener Zeit, in der diese trefflichen Dar
legungen den Wert der alten Stadtbilder jeder
mann verständlich gekennzeichnet haben, ist ein
gewisser Fortschritt dahin zu verzeichnen, daß
sich in einzelnen Ländern, so auch in unserem
engeren Heimatlande Oherösterreich die Gesetz
gebung bereits mit diesen Anregungen befaßt und
es ist zu erwarten, daß ein Weg gefunden wird,
um manchmal ganz sinnlosen Zerstörungen alters
schöner Gebäude und Ortsteile mit Erfolg ent
gegen zu wirken.
Wir in unserer alten Stadt haben darüber
nicht zu klagen, daß ohne Rücksicht auf das all-