Volltext: Der Sammler 17. jahrg. 1921 (1921)

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Schutz dem künstlerischen Stadtbilde! 
(Fortsetzung nach Oberbaurat Ludwig Bauer.) 
Auch unsere Stadt gehörte niemals zu jenen 
Städten, die vom Bädecker mit einem Stern be 
dacht waren, es war eben ein kleines Land 
städtchen, und doch hat es sein Sehenswertes. 
Länger als anderSwo hat sich hier die trationelle 
Bauweise erhalten. Es gibt noch ansehnliche 
Reste alter Stadtmauern mit ehrwürdigen Toren, 
malerische Stadt- und Wallgräben. Wenn ich, 
schreibt Oberbaurat Bauer, an die Tage meiner 
Kindheit zurückdenke, ist die Erinnerung 
mit dem traulichem Stadtbilde innig verknüpft. 
Mit wahrer Freude benütze ich daher die Gelegen 
heit, das erblassende Bild aus der Jugendzeit 
endlich wieder durch Augenschein aufzufrischen. 
Doch schon beim Betreten des Städtchens erlebte 
ich die erste Enttäuschung. Das schöne Stadttor 
war gefallen und der pitoreSke Stadtgraben zu 
langweiligen städtischen Anlagen und allerlei 
gärtnerischen Schnick-Schnack umgewandelt. An 
Stelle der alten Stadtmauer steht ein unge 
schlachtes kasernartigeS Gebäude. In der schwachen 
Hoffnung, daß sich die Zerstörungs- und Ver- 
häßlichungssucht vor der Stadt ausgetobt hat, 
betrat ich die innere Stadt. Weg war der 
Zauber, von dem schönen Gibelhause, da§ an 
daS ehemalige Stadttor angebaut war, mußte 
der charakterische Bau obigen Gibels. herunter 
und gar manches HauS in den geschloffenen Reihen 
ereilte das gleiche Schicksal. Das baroke Rat 
haus, das dem Stadtplatz einen so stilvollen und 
einheitlichen Abschluß gab, es mußte einer ver 
unglückten gothisierenden Bauweise weichen, die 
wie ein verlorenes Kind in der ihm fremden 
Umrahmung vergeblich um Anschluß schreit. 
Der uralte Stadtbrunnen inmitten des 
Stadtplatzes, ich konnte ihn nicht mehr finden, 
an seiner Stelle stand ein neuer figuraler Brunnen 
aus Erz. Die heimischen Lauben, die freund 
liche Nachbarschaft des alten Rathauses aus alter 
Zeit, auch diese vermißte ich als einstmaliger 
trauter Bekannter, haben wir uns in ihr und 
um sie am häufigsten herumgetummelt. 
Da wendete ich mich von dannen und dachte: 
Verwüstung des Schönen und Traulichen in so 
wenigen Jahren! Aus dieser Stimmung wurde 
ich durch den Gruß eines Bekannten gerissen. Die 
üblichen Freudenbezeugungen des Wiedersehens 
und dann begann er : „Aber nicht wahr, seit der 
Zeit, da sie die Stadt nicht mehr gesehen haben, 
hat sie sich doch sehr verändert und verschönt?" 
Ich habe diese Geschichte wahrheitsgemäß erzählt, 
jeder Leser kann sich in seine Vaterstadt zurück 
versetzen und er wird ähnliche Wahrnehmungen 
machen. Das haben wir getan. Ja in vielen 
Städten wird geradezu Rührigkeit und Eifer 
entfaltet, ein Altes und Schönes niederzureißen 
und an Stelle dessen Gräßliches zu setzen. 
In wenigen, aber gewiß beachtenswerten 
Sätzen kommt Oberbaurat Bauer zu einem ge 
meinverständlichen Schluffe seiner Betrachtungen, 
indem derselbe schreibt: »Verbesserung sanitärer 
Zustände, Forderungen des Verkehrs und hundert 
andere Notwendigkeiten einer aufstrebenden Stadt 
werden immer dazu treiben, daß Altes fällt und 
Neues an dessen Stelle gesetzt wird. Materielle 
Interessen des Einzelnen und ideale Interessen 
der Allgemeinheit werden oft im krassen Gegen 
satze zu einander stehen und es ist dann Sache 
jener Organe, die die Macht in Händen haben, 
diese Macht in dem einen oder anderen Sinne 
zu betätigen. Ich will den guten Willen der in 
Bausachen zuständigen Machthaber gar nicht be 
zweifeln ; jeder Bürgermeister und Stadtverord 
neter, ja jeder einfache Bürger hat sicher den 
Wunsch, daß die Stadt, in der er lebt, schön 
bleibe, sich entwickle und von etwaigen Uebel 
ständen, die ihr anhaften, befreit werde. Das 
Unglück wollte eS nur, daß man in den letzten 
50 Jahren von wirklicher „Stadtschönheit" so 
wenig verstand. Vielleicht waren wir zu sehr mit 
anderen Dingen beschäftigt; denn in diese Zeit 
fällt der ungeheure Aufschwung der Technik, der 
einen Großteil der Intelligenz in ihre Bahnen 
gezwungen hat. Und so hören wir nur ganz 
vereinzelnt warnende Stimmen gegen die Zer 
störung schöner alter Stadtbilder sich erheben, 
und noch seltener begegnet man Versuchen, durch 
Taten derartige Stadtbilder zu schützen und not 
wendige neue Bauten der alten Schönheit an 
zupassen." 
Jedem im dargetanen Sinne Eindrucks 
empfänglichen sind diese Worte aus der Seele 
geschrieben. Dabei hat es jedoch noch nicht sein 
Bewenden. ES folgen Vorschläge, in welcher 
Weise vorzusehen wäre, um den Gedanken an die 
Erhaltung des Alten, Schönen auch Kraft und 
Unterstützung zu leihen. 
Diese gipfeln im wesentlichen darin, daß 
die Bauordnung in allen Fällen, wo städtebauliche 
Rücksichten eine Ausnahme rechtfertigen, solche 
ausdrücklich erlauben und daß bei Begutachtung 
der zur Ueberprüfung vorgelegten Baupläne, auch 
insoferne sich dieselben auf Um- und Zubauten 
erstrecken, fachkünstlerischer Vertretung ein be 
stimmendes Urteil eingeräumt wird. 
Seit jener Zeit, in der diese trefflichen Dar 
legungen den Wert der alten Stadtbilder jeder 
mann verständlich gekennzeichnet haben, ist ein 
gewisser Fortschritt dahin zu verzeichnen, daß 
sich in einzelnen Ländern, so auch in unserem 
engeren Heimatlande Oherösterreich die Gesetz 
gebung bereits mit diesen Anregungen befaßt und 
es ist zu erwarten, daß ein Weg gefunden wird, 
um manchmal ganz sinnlosen Zerstörungen alters 
schöner Gebäude und Ortsteile mit Erfolg ent 
gegen zu wirken. 
Wir in unserer alten Stadt haben darüber 
nicht zu klagen, daß ohne Rücksicht auf das all-
	        
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