2Ö2
Das spanische Zentrum im XIV. Jahrhundert
men ergriffen: es war ausdrücklich untersagt, die Neubekehrten mit
dem Schmähnamen „Überläufer“ (tornado) zu kennzeichnen. Gleich
wie in Kastilien wächst jetzt der Klerikalismus auch in Aragonien
zu einer immer bedrohlicheren Macht an. Die von den Dominikanern
ausgestreute Saat sollte auch hier gegen Ende dieses Jahrhunderts
eine blutige Ernte zeitigen.
Diesem feindlichen Ansturm von außen setzte die aragonische Ju-
denheit ihre schon im XIII. Jahrhundert ins Leben gerufene Orga
nisation der autonomen Gemeinden entgegen (oben, § n). Im Jahre
i354 wurde der Versuch gemacht, die Gemeinden in allen Teilen des
Königreichs, in den Provinzen Katalonien, Valencia, Aragonien und
auf den Balearen zu einem einheitlichen Verbände zusammenzu
schließen. Die Ziele des zu gründenden Verbandes wurden auf einem
von den zwei ersten Provinzen beschickten Gemeindevertretertag in
folgender Weise umschrieben: durch den Zusammenschluß sollte den
Gemeinden die Möglichkeit gegeben werden, ihre Mitglieder vor den
sie bedrückenden weltlichen und kirchlichen Gesetzen sowie vor der
Willkür der Beamten und den Exzessen der Menge in Schutz zu neh
men, ferner gegen das Erzübel des Denunziantentums anzukämpfen
und das innere Gemeindeleben überhaupt in geregelte Bahnen zu lei
ten. Aus unbekannten Gründen blieb jedoch dieser Plan der natio
nalen Kräftesammlung zum größten Nachteil für die aragonische Ju-
denheit, die unmittelbar vor schweren Heimsuchungen stand, unver-
wirklicht.
Unruhvolle Zeiten hatten auch die jüdischen Gemeinden des halb
spanischen, halb französischen Navarra durchzumachen. Seit der zwei
ten Hälfte des XIII. Jahrhunderts von Herrschern aus einem fran
zösischen Hause regiert, wurde Navarra von den der französischen
Metropole beschiedenen Erschütterungen nicht selten in Mitleiden
schaft gezogen. Die jüdischen Gemeinden von Pamplona, Tudela,
Estella und anderen Städten stöhnten gleich den Schwestergemeinden
in Frankreich unter den von dem frommen Ludwig IX. und dem
habgierigen Philipp dem Schönen unternommenen Requisitionen. Des-
ungeachtet wuchs die Zahl der Juden in Navarra immer mehr an,
namentlich infolge der im Jahre i3o6 einsetzenden Zuwanderung
der französischen Exulanten. Von Norden zogen aber auch schwere,
verheerende Gewitter herauf. So brachen von Frankreich her im Jahre
i32i nach Navarra die rasenden Horden der Pastorellen ein, um die