Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

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Das spanische Zentrum im XIV. Jahrhundert 
men ergriffen: es war ausdrücklich untersagt, die Neubekehrten mit 
dem Schmähnamen „Überläufer“ (tornado) zu kennzeichnen. Gleich 
wie in Kastilien wächst jetzt der Klerikalismus auch in Aragonien 
zu einer immer bedrohlicheren Macht an. Die von den Dominikanern 
ausgestreute Saat sollte auch hier gegen Ende dieses Jahrhunderts 
eine blutige Ernte zeitigen. 
Diesem feindlichen Ansturm von außen setzte die aragonische Ju- 
denheit ihre schon im XIII. Jahrhundert ins Leben gerufene Orga 
nisation der autonomen Gemeinden entgegen (oben, § n). Im Jahre 
i354 wurde der Versuch gemacht, die Gemeinden in allen Teilen des 
Königreichs, in den Provinzen Katalonien, Valencia, Aragonien und 
auf den Balearen zu einem einheitlichen Verbände zusammenzu 
schließen. Die Ziele des zu gründenden Verbandes wurden auf einem 
von den zwei ersten Provinzen beschickten Gemeindevertretertag in 
folgender Weise umschrieben: durch den Zusammenschluß sollte den 
Gemeinden die Möglichkeit gegeben werden, ihre Mitglieder vor den 
sie bedrückenden weltlichen und kirchlichen Gesetzen sowie vor der 
Willkür der Beamten und den Exzessen der Menge in Schutz zu neh 
men, ferner gegen das Erzübel des Denunziantentums anzukämpfen 
und das innere Gemeindeleben überhaupt in geregelte Bahnen zu lei 
ten. Aus unbekannten Gründen blieb jedoch dieser Plan der natio 
nalen Kräftesammlung zum größten Nachteil für die aragonische Ju- 
denheit, die unmittelbar vor schweren Heimsuchungen stand, unver- 
wirklicht. 
Unruhvolle Zeiten hatten auch die jüdischen Gemeinden des halb 
spanischen, halb französischen Navarra durchzumachen. Seit der zwei 
ten Hälfte des XIII. Jahrhunderts von Herrschern aus einem fran 
zösischen Hause regiert, wurde Navarra von den der französischen 
Metropole beschiedenen Erschütterungen nicht selten in Mitleiden 
schaft gezogen. Die jüdischen Gemeinden von Pamplona, Tudela, 
Estella und anderen Städten stöhnten gleich den Schwestergemeinden 
in Frankreich unter den von dem frommen Ludwig IX. und dem 
habgierigen Philipp dem Schönen unternommenen Requisitionen. Des- 
ungeachtet wuchs die Zahl der Juden in Navarra immer mehr an, 
namentlich infolge der im Jahre i3o6 einsetzenden Zuwanderung 
der französischen Exulanten. Von Norden zogen aber auch schwere, 
verheerende Gewitter herauf. So brachen von Frankreich her im Jahre 
i32i nach Navarra die rasenden Horden der Pastorellen ein, um die
	        
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