Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

§ 2. Der innere Kreuzzug und die Lateransynode 
louse alle Juden mit Weib und Kind verhaften ließ und an sie mit 
dem Ansinnen heran trat, ,,den lebendigen Gott mit dem toten zu ver 
tauschen“, d. h. in die Taufe einzuwilligen. Die minderjährigen Kin 
der wurden den Priestern übergeben und von diesen getauft, alle an 
deren blieben aber standhaft und bereiteten sich auf den Tod vor. 
Doch wurden die Verhafteten auf Befehl des Montfort selbst, dem die 
lebenden Juden gewinnbringender zu sein schienen als die toten, bald 
wieder freigelassen, und auch ihr eingezogener Besitz wurde ihnen 
zurückerstattet; indessen gab man die getauften Kinder den Eltern 
nicht wieder zurück, „denn so gebot es der Kardinal“ (Bertrand). 
Während der zwei Jahrzehnte des heiligen Krieges tobte sich nämlich 
der katholische Klerus in der Provence in zügellosester Weise aus. So 
ließ er auch die Kirchengesetzgebung aus der Zeit der Merowinger, die 
auf die Erniedrigung der „Feinde Christi“ ausging, zu neuem Leben 
erstehen. Im Jahre 1209 wurde auf dem Konzil zu Avignon die Be 
stimmung getroffen, daß alle Grafen, Kastellane und Bürger durch 
einen Eid dazu verpflichtet werden sollten, die Ketzer zu vertreiben, 
die Juden von allen Ämtern fernzuhalten und ihnen die Anstellung 
christlicher Dienerschaft, die Arbeit an christlichen Feiertagen, ja 
sogar den Genuß von Fleisch an christlichen Fasttagen zu verwehren 
(auf diesen letzten Einfall durfte das Provinzialkonzil als auf seine 
Originalschöpfung besonders stolz sein). In der Versammlung der 
weltlichen und geistlichen Würdenträger zu Pamiers (1212) wurde 
der Beschluß gefaßt, sowohl Ketzern (auch reumütigen) wie Juden 
alle öffentlichen Ämter vorzuenthalten. Den Gipfel der kirchlichen 
Gesetzgebung bilden aber die Vorschriften des Kirchenkonzils vom 
Jahre 1215, der sogenannten „vierten Lateransynode“, die für die in 
den christlichen Ländern lebenden Juden eine neue Rechtsstellung 
schuf. 
Die von Innocenz III. einberufene, in der Laterankirche zu Rom 
tagende große Versammlung hatte in erster Linie über die Ausrottung 
der Irrlehre der Katharer und die Bestrafung ihres Gönners Rai 
mund VI., aber auch über die Hebung des Sittenniveaus der Geistlich 
keit wie überhaupt über die Festigung der in ihren Grundlagen er- 
„des Jahres 4969“ ausdrücklich erwähnt. Hier ist somit auch das Jahr mit aller 
Genauigkeit nach der jüdischen Zeitrechnung angegeben, während es im „Schebet 
Jehuda“ nur in abgekürzter Form durch die Zahl 169 (d. i. 48oo 169) be 
zeichnet wird. Vgl. auch Grätz VI, Note 1 ad 17. 
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