Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

§ 2. Der innere Kreuzzug und die Lateransynode 
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Juden wie Christen durch besondere Abzeichen zu brandmarken pfleg 
ten. Jedenfalls war es der streitbare Papst Innocenz III., dem es Vor 
behalten blieb, dem Beispiel eines Mutawakil oder Hakim nach 
zueifern und Juden wie Muselmanen in den christlichen Län 
dern durch ein besonderes Zeichen kenntlich zu machen. Der diese 
beiden Gruppen von Andersgläubigen gleicherweise treffende neue 
Kanon hatte folgenden Wortlaut: „Während sich die Juden und Sara 
zenen in manchen Gegenden von den Christen durch eine besondere 
Tracht unterscheiden, nimmt die Vermischung in anderen Gegenden 
so sehr überhand, daß sie (die Andersgläubigen) in keiner Weise 
mehr erkenntlich sind. Die Folge ist, daß die Christen irrtümlicher 
weise mit jüdischen und sarazenischen Frauen in Verkehr treten, die 
Juden und Sarazenen aber mit Christinnen. Damit nun fürderhin im 
Falle eines so frevelhaften Verkehrs kein Irrtum (als Entschuldi 
gungsgrund) vorgeschützt werden könne, verordnen wir, daß sich 
solche Personen (fremden Glaubens), ob Mann oder Weib, in allen 
christlichen Landen an öffentlichen Orten stets durch eine besondere 
Art der Kleidung (,qualitate habitus') von der übrigen Bevölkerung 
unterscheiden, um so mehr als dies ihnen (den Juden) auch von dem 
Gesetze Moses’ vorgeschrieben ist“. 
Ein kühner Römer sagte einmal dem Papst Innocenz III. offen ins 
Gesicht: „Du redest göttliche Worte, vollbringst aber teuflische 
Werke“. Ein solches Satanswerk verbarg sich auch hinter den Worten 
des eben angeführten, vom Papste selbst inspirierten Konzilbeschlus 
ses. Die mit Absicht in mildem Tone gehaltene Begründung der neuen 
Verordnung sollte lediglich deren harten Kern verschleiern. Ebenso 
erlogen wie die Unterstellung, das Mosesgesetz schreibe den Juden 
eine Sondertracht vor, war auch die andere Behauptung, daß durch 
die neue Verfügung der „auf Irrtum“ (per errorem) beruhenden Ge 
schlechtsgemeinschaft zwischen Juden und Christen vorgebeugt wer 
den sollte. Waren doch Mischehen beiderseits gesetzlich untersagt, 
während für ein außereheliches Zusammenleben auch die Sondertracht 
kein unüberwindliches Hindernis bilden konnte. In Wirklichkeit ver 
folgten die Erfinder der äußeren jüdischen Kennzeichen viel weiter 
gehende Pläne: es lag ihnen daran, die Juden dadurch als eine be 
sondere Pariakaste auszusondern und ihnen den Stempel der Ver- 
stoßenheit gleichsam auf die Stirn zu drücken. Jedem glaubenseif 
rigen Christen war so die Möglichkeit gegeben, die so Gezeich
	        
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