Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

Die kleineren Zentren und Kolonien im XIII. Jahrhundert 
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der Bischöfe sowie dem Klerus der großen Kirchen und Klöster unter 
stellt, denen sie einstmals von den normannischen Herrschern, den 
Vasallen der römischen Päpste, als „Geschenk“ überantwortet worden 
waren. Zwar hatte Friedrich II. mit dieser Vasallenabhängigkeit von 
Rom gründlich gebrochen, doch sollten nach seinem Tode in Süd 
italien tief einschneidende Änderungen eintreten. 
Es entbrannte ein Kampf um das italienische Erbe, der sich über 
mehr als dreißig Jahre hinziehen sollte. Der erste Akt dieses Kampfes 
endete mit dem Untergange der Staufer und dem Übergang der Macht 
an die von Karl von Anjou geführten Franzosen (1266—1282). Als 
Schützling des römischen Papstes mußte Karl den Forderungen der 
Kirche Genüge tun, zugleich sah er sich aber in seiner Geldnot ge 
zwungen, auch den Interessen der Finanzpolitik, in der die Juden eine 
nicht unerhebliche Rolle spielten, in jeder Weise Rechnung zu tragen. 
So wurde denn die Stellungnahme des neuen Königs von Neapel und 
Sizilien zu den Juden gleichsam durch die Resultante zweier sich kreu 
zenden Komponenten bestimmt. Ein Förderer der in seinem Macht 
bereich gegen die Ketzer wütenden Inquisition, begünstigte Karl zu 
gleich die von den Dominikanern unter den italienischen Juden ent 
faltete Missionstätigkeit, ganz so wie es sein Bruder Ludwig der Hei 
lige in Frankreich tat. Auch in Italien fehlte es nicht an einem Pablo 
Christiani, einem vor den Mönchen kriechenden Renegaten. Es war 
dies der aus Trani stammende Manufortis, der nach seinem Übertritt 
zum Christentum auch seine Stammesgenossen durch den neuen Glau 
ben zu erleuchten trachtete. Seine Bemühungen blieben denn auch 
nicht unbelohnt: Karl befahl, dem Überläufer „für den Eifer, mit 
dem er andere Juden auf den Weg der Wahrheit zu weisen bestrebt 
war“, eine Jahresrente in Höhe von sechs Unzen Gold aus den Ein 
künften der monopolisierten Färberei zu Trani auszuzahlen (1267). 
Auf die Denunziation dieses Renegaten, des „ehemaligen Juden und 
Synagogenvorstehers“, hin ordnete der König außerdem an, daß den 
Juden alle Talmudschriften, ja sogar die Gebetbücher weggenommen 
würden (1270). Die Geistlichkeit hatte scharf darauf aufzupassen, 
daß es zwischen Juden und Christen verschiedenen Geschlechtes nicht 
zu „sündhaftem Verkehr“ komme und daß den Kirchen regelmäßig 
der zehnte Teil der bei den Juden erhobenen Kopfsteuer zugeführt 
werde. Andererseits nahm jedoch Karl von Anjou die ihm tribut
	        
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