Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

§ 28. Süditalien unter den Staufern, Anjous und Aragoniern 
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pflichtigen Juden stets gegen jene bischöflichen Lehensherren in 
Schutz, die ihre jüdischen Untertanen erbarmungslos ausbeuteten. Als 
der Erzbischof von Bari einst nach dem Vorbild der französischen und 
englischen Könige die Gemeindeältesten einkerkem ließ, um ihnen 
das Fünffache der üblichen Geldsteuer (zwanzig Unzen statt vier) ab 
zupressen, verfügte Karl die sofortige Freilassung der Verhafteten 
(1273). Auch setzte er sich für die von dem Erzbischof und Kastellan 
von Trani unbarmherzig geschröpften jüdischen Gewerbetreibenden 
kraftvoll ein. Die Selbstverwaltung der jüdischen Gemeinden pflegte 
er voll zu respektieren, und behielt sich nur das Recht vor, die ge 
wählten Ältesten und Gesetzeslehrer im Amte zu bestätigen. So erteilte 
er einst der in Palermo erfolgten Wahl des Rabbiners Meborach, der 
ihm, wie er hervorhob, „von unserem treuen Magister Faradsch, dem 
Dolmetscher unseres Hofes“, empfohlen worden war, seine ausdrück 
liche Sanktion 1 ). In einem anderen Falle billigte der König die Ent 
scheidung des Bischofs der Stadt Trepani, der „kraft des ihm zu 
erkannten Rechtes“ einen gewissen Suleiman in der Würde eines jü 
dischen „Geistlichen“ (sacerdos) bestätigte. Ganz frei von fremder 
Kontrolle war also die Gemeindeverwaltung doch nicht. 
Im Jahre 1282 setzte die Sizilianische Vesper der französischen 
Herrschaft auf der Insel ein Ziel, und seitdem beschränkte sich die 
Gewalt der Anjous nur auf das auf dem Festlande gelegene König 
reich Neapel. Sizilien aber geriet für lange Zeit unter die Herrschaft 
der aragonischen Dynastie. Der von der römischen Kurie unabhän 
gige aragonische König Pedro III. verwehrte es der Inquisition und 
den Dominikanern, auf der Insel ihr Wesen zu treiben, und brachte 
den Juden in Sizilien die gleiche Duldsamkeit entgegen wie in seinen 
spanischen Stammlanden (oben, § i3). Er förderte auch auf der 
Insel jenes System der Verpachtung von Staatssteuern und Zöllen an 
wohlhabende Juden, das schon in Aragonien die Grundlage seiner 
Finanzpolitik bildete. Auch unter den Nachfolgern des Pedro war für 
Sizilien dieselbe allgemeinpolitische Richtung maßgebend, die im XIV. 
Jahrhundert für die spanische Metropole bestimmend war. 
!) Faradsch ben Salem oder F a r a g u t, in der sizilianischen Stadt Girgenti 
zu Hause, war einer der gelehrtesten jüdischen Ärzte jener Zeit. Im Aufträge 
Karls von Anjou übersetzte er medizinische Werke aus dem Arabischen ins La 
teinische. S. Steinschneider, Hebräische Übersetzungen, 974.
	        
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