Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

Die kleineren Zentren Und, Kolonien im XIII. Jahrhundert 
!2o'4 
den Normannen eingeführten patriarchalischen Regimes (Band IV, 
§§ 19 und Ö2) war. Je nach seinem politischen Verhältnis zu den 
römischen Päpsten, mit denen er bald auf Kriegsfuß stand, bald in 
Frieden lebte, pflegte Friedrich II. auch die Kirchenkanons in seinem 
italienischen Herrschaftsbereiche bald einzuf ühren, bald wieder außer 
Kraft zu setzen. Im Jahre 1221 versuchte der unbeständige Monarch 
den Klerikalen zuliebe sogar die Inquisition in Sizilien einzuführen. 
Zugleich erließ er ein Dekret, durch das die Juden zum Tragen eines 
sie von den Christen unterscheidenden Abzeichens verpflichtet wur 
den, wobei er sich in der Begründung fast wörtlich an die bekannten 
Argumente der Lateransynode hielt (oben, § 2). Neu war die Vor 
schrift, wonach jüdische Männer reiferen Alters sich den Bart wach 
sen lassen mußten. Den Zuwiderhandelnden wurde Vermögenskonfis 
kation und im Falle der Mittellosigkeit das Auf brennen eines Schand 
mals auf die Stirn in Aussicht gestellt. Es ist indessen kaum anzu 
nehmen, daß Friedrich den seiner Verordnung zugrunde gelegten reli 
giösen Motiven ernstlichere Bedeutung beimaß. Der aufgeklärte, wenn 
auch despotische Monarch, der an seinem Hofe zu Neapel, wie er 
wähnt, jüdische und arabische Gelehrte mit wissenschaftlichen Auf 
trägen betraute und auch sonst dem Judaismus gegenüber Toleranz 
bekundete, mochte derartige Maßnahmen ausschließlich aus politi 
schen Tagesinteressen getroffen haben. Und in der Tat werden in den 
späteren Verordnungen des Kaisers die antijüdischen Kirchenregeln 
mit keinem einzigen Worte mehr erwähnt. In dem im Jahre i23i von 
ihm erlassenen Statut gelobt er, seine italienischen Juden und Mo 
hammedaner, die „durch grundlose Haßausbrüche seitens der Christen 
nicht selten in Gefahr geraten“, in jeder Weise in Schutz zu neh 
men. Daneben sucht er die Juden zu einem Werkzeug seiner auf die 
Monopolisierung der wichtigsten süditalienischen Produktionszweige 
gerichteten Finanzpolitik zu machen und trägt so zur Konsolidierung 
ihrer wirtschaftlichen Lage bei. 
Im Gegensatz zu ihren Stammesgenossen in den anderen Ländern 
nahmen nämlich die süditalienischen Juden von jeher regsten Anteil 
an der industriellen Entwicklung dieses an natürlichen Hilfsquellen 
so reichen Landes. Zwei Industriezweige lagen hier fast ausschließ 
lich in jüdischen Händen: die Stoffärberei und die Fabrikation von 
Seidenwaren. Beide Erwerbsarten wurden hierher schon in viel älterer 
Zeit durch Auswanderer aus dem Osten, namentlich aus Byzanz, ver
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.