Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

Die geistigen Strömungen im XIII. Jahrhundert 
Vorwürfe, Salomo damit zu entschuldigen versuchte, daß dieser sich 
zu seiner Untat durch die Feindseligkeit der Gegenpartei habe hin 
reißen lassen. 
Die Agitation der Orthodoxen zog bald für einige von den Ver 
fechtern der Rechtgläubigkeit überaus traurige Folgen nach sich. Den 
Maimonisten gelang es nämlich, die Zeugen, die die Anklage gegen die 
verurteilten Bücher vor dem Inquisitionsgericht unterstützt hatten, 
des Meineids zu überführen. Man vermutet, daß es die am Hofe des 
Gebieters von Montpellier, des aragonischen Königs Jakobs I., ein 
flußreichen Juden (Bahiel Alkonstantini u. a.) waren, die sich die Be 
strafung der Schuldigen besonders angelegen sein ließen. Die des fal 
schen Zeugnisses Überführten mußten ihr Vergehen aufs schwerste 
büßen: es wurde ihnen, laut gerichtlichem Urteilsspruch, die Zunge 
abgeschnitten. Einer der Maimonisten wandte auf die Verurteilten den 
biblischen Vers an: „Ihr Mund richtete sich gegen den Himmel, nun 
schleppt ihre Zunge im Staube“. Was aus Salomo selbst, dem Urheber 
des ganzen Streites, geworden ist, bleibt unbekannt. Von seinem 
Kampfgenossen Jona Gerondi wissen wir dagegen, daß er seine Tat 
später aufrichtig bereute. Es geschah dies einige Jahre nach der Ver 
brennung der Bücher des Maimonides in Montpellier und Paris, als 
in der französischen Hauptstadt nach der bereits geschilderten Dis 
putation über das talmudische Schrifttum auch Talmudbücher auf 
einem Pariser Platze öffentlich verbrannt wurden (oben, § 4)- Das 
Autodafe machte auf Jona Gerondi einen erschütternden Eindruck: 
in dem Scheiterhaufen für die talmudischen Bücher erblickte er 
eine Strafe Gottes für die von ihm und seinen Gesinnungsgenossen 
durch die Vermittlung derselben Dominikaner herbeigeführte Ver 
brennung der Werke des Maimonides. Der fromme Rabbiner legte 
sich nun eine schwere Buße auf, um die an dem Andenken des gro 
ßen Mannes begangene Sünde zu sühnen. Er kam nach Montpellier 
und legte in der Synagoge vor der versammelten Gemeinde ein Buß 
bekenntnis ab, indem er ausrief: „Moses (Maimonides) hat recht und 
seine Lehre ist gerecht, wir aber lügen!“ Darauf zog Jona von Stadt 
zu Stadt, um sich überall derselben Bußzeremonie zu unterziehen. Zu 
gleich tat er das Gelübde, nach dem Orient zum Grabe des Maimoni 
des zu wallfahrten, um bei dem Verstorbenen Vergebung zu erflehen. 
Doch war es ihm nicht beschieden, seinen Plan auszuführen: auf sei-
	        
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