Schlacht bei Wilna. Russischer Gegenangriff.
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(1., 4. und 3. Division) einrücken, von dem große Teile zurückgenommen
wurden. Außerordentliche Marschleistungen der heranrückenden Divisionen
waren dazu erforderlich gewesen. Die in Wilejka den linken Flügel
bildende 115. Infanterie-Division hatte in den letzten fünf Tagen 180 Kilo¬
meter zurückgelegt; durch die Gewaltleistung und die vorhergegangenen
Kämpfe waren die Gefechtsstärken der Bataillone auf etwa 300 Gewehre
gesunken. Weiter östlich waren die bayerische und 9. Kavallerie-Division
von Krzywicze und Dolhinow nach Süden und Südwesten angesetzt ge¬
wesen, um Flanke und Rücken des anrückenden Gegners zu treffen. Statt
dessen mußten sie feststellen, daß sich der russische Flügel mit Infanterie
bis Ilia, mit Kavallerie noch weiter nach Osten ausdehnte, die Front
der 10. Armee also immer noch erheblich überragte.
Inzwischen war die besonders schwierige Entzifferung eines schon tags-
zuvor aufgefangenen russischen Funkspruches gelungen, der einen
Befehl der russischen Westfront enthielt. Er lautete in seinen ent¬
scheidenden Teilen: „Die russische 10. Armee verstärkt die Reserven hinter
ihrem äußersten rechten Flügel, greift energisch an und bemächtigt sich der
Linie Sawelzy—Slobodka, auf der sie sich ebenso wie auf der ganzen
übrigen Front... über Oszmjany bis zum Gawia-Fluffe einzugraben hat.
Die 2. Armee beschleunigt ihren Angriff auf die Linie Sawelzy—Rarocz-
See." Damit war klar, daß der Gegner zwischen dem Rjemen östlich von
Lida und der Bahn Wilna—Molodeczno mit der Front nach Westen
halten, nördlich und östlich der Bahn aber gegen den Ostflügel der deutschen
10. Armee angreifen wollte. Angesichts dieser Lage ließ sich der itw
fafsungsangriff nicht weiter durchführen. Generaloberst von Eichhorn
mußte sich entschließen, gegen die zu erwartenden weiteren russischen An¬
griffe zunächst in der A b w e h r zu bleiben; er hoffte dabei den eigenen Ost¬
flügel so weit dehnen zu können, daß er zu gegebener Zeit doch noch wieder
umfaffen konnte. Zur Entlastung der übrigen Front sollte die Gruppe
Carlowitz am 22. September scharf nach Nordosten angreifen.
Am diesem Frontalangriff größere Stoßkraft zu geben, hatte der
Oberbefehlshaber Ost bereits zwei Divisionen, 4. Garde- und
37. Infanterie-Division, von der 12. Armee nach Norden hinter den Süd¬
flügel der 10. Armee herangeführt. Andererseits hatte er veranlaßt, daß die
Njemen-Armee Kräfte nach Süden schiebe, und ihr die 3. Infanterie-
Division zugeführt werde, denn er rechnete nach wie vor durchaus mit der
Möglichkeit, daß an anderer Stelle frei werdende russische Kräfte auch aus
nordöstlicher Richtung, über Polozk, gegen die deutsche 10. Armee ein¬
gesetzt werden könnten. Vor allem aus diesem Grunde hatte er es als