Volltext: Der Sammler 13 jahrg. 1917 (1917)

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Herausgeber: Der Museak-Berein Schärding. — Verantwortlicher Redakteur: Joh. Vees, Schärding. 
Druck I. Bees, Schärding. 
wie es größer, wuchtiger und gewaltiger nicht 
mehr gedacht werden kann. 
Wollten wir der Größe unseres jetzigen 
Kampfes entsprechend ein Mal schaffen, dann 
müßten wir die Maße des Leipziger Wolken 
stürmers multiplizieren, müßten die altägyptische 
Zyklopenkunst neu beleben und diesen stein 
gewordenen Anachronismus als letzte Zart- 
empstndung ausschreien I 
Oder aber in einer Viertelmillion Obe 
lisken, Steinsäulen. Schildern, Erinnerungs 
kreuzen. Adlern. Löwen und anderen Symbolen 
eine Eintönigkeit schaffen, die als überlästige 
Wiederholung bald jeden Erinnerungswert ver 
lieren wird und bereits vorhandene Kunst- und 
Naturmerte empsindlich stört. 
Und so kommen wir endlich zu der berech 
tigten Frage: Kann dem unfaßbaren Jammer 
und Elend, dem heiligen Heldenmut und der 
grenzenlosen Opferfreudigkeit unseres Volkes ein 
Steindenkmal Ausdruck verleihen? Ist es noch 
möglich, daß ein Steinbildnrr für dieses große 
Leid, dieses Heroentum, unvergängliche Formen 
sindet, diese steinerne Sprache entdeckt und 
erobert, die auch nach Jahrhunderten noch ein 
fremdes Geschlecht erschüttert und erhebt? 
Meist wird der Künstler, der sich zur Auf 
gabe stellt, herrlichen Taten ein Denkmal zu er 
richten, nach Symbolen greifen müssen und 
darum vielen unverständlich bleiben. Und er 
wird, wenn er nicht seine Kunst in den Dienst 
einer Machtpolitik stellen will, auch das große 
Sterben, das schreckhafte Leid und das wirt 
schaftliche Elend mit seinen widrigen Begleit 
erscheinungen nicht verschweigen dürfen. Ob 
aber diese Forderungen künstlerisch erfüllbar 
sind, ist erst eine Frage. Und wenn sie gelöst 
wird, gut und trefflich, so bleibt immer noch 
die Tatsache unbestritten, daß sich ein solches 
Kunstwerk nur wenige reiche Gemeinwesen „an 
schaffen" können. 
Aber das glücklichste und vortrefflichste 
Kunstwerk kann nach dem Gesagten nicht unsere 
Wünsche erfüllen. Wir bleiben kalt unö unser 
höchstes Gefühl wird ein Staunen sein. Spätere 
Kunstrichtungen mit ihren anders gearteten An 
schauungen werden auch dieses Gefühl nicht 
mehr aufbringen. 
Ewig und unerschütterlich bleibt nur die 
Natur. Wenn wir uns wieder auf sie be 
sinnen. dann werden wir auch den rechten Weg 
finden, der uns aus dem Wirrwarr der Mei 
nungen herausführt, der uns jenes Ziel er 
reichen läßt, welches wir alle erstreben wollen: 
dem wahren Empfinden den wahrhaften Aus 
druck zu verleihen. 
Und unser Empfinden sagt uns: keiner der 
Helden, der für unsere Heimatscholle kämpfte, 
der für die Erhaltung unserer Sitte und Art 
sein Blut verspritzte oder auf schmerzensreichem 
Siechenlager sein Leben aushauchte, darf ver 
gessen werden, jeder einzelne soll in unserem 
Denken und im Gedächtnis künftiger Menschen 
weiterleben. 
„Jedem das Gleiche — wie jeder 
gleich war!" 
„Jedem das Seine, wie jeder sein 
Blut und Leben gab !" 
„Jedem ein Lebensmal. denn jeder 
ist unsterblich 1" 
Diese Forderungen erfüllen mir. indem 
wir einen Heldenhain pflanzen, jedem toten Hel 
den eine lebendige Baumpersönlichkeit schaffen! 
V. 
So bin ich nun beim Schlußkapitel meiner 
Eingabe angelangt. Das Stichwort ist gefallen, 
die durch vier Kapitel laufende Vorrede ist ab 
getan und hat keinen Wert, wenn meine folgen 
den Worte nicht Widerhall in den Herzen der 
Schärdinger Stadtväter finden. 
Ich bin mir der Schmierigkeiten, die der 
Schaffung eines Heldenhaines entgegenstehen, 
vollauf bewußt. 
In wochenlangem Nachdenken und gewis 
senhaftem Prüfen aller in Betracht kommenden 
Einwürfe und gegensätzlichen Meinungen bin ich 
zum Schluffe gekommen, daß gerade die Stadt 
Schärding, die immer einer vornehmen und 
großen Tradition willig folgte, schlechterdings 
keine andere Wahl hat als diese: 
Kein Steindenkmal zu bauen, aber einen 
Heldenhain zu pflanzen! 
Kein Steindenkmal darf Schärding er 
richten, weil wir sonst den genugsam gekenn 
zeichneten Fehler begehen würden, zu den tausend 
Mittelmäßigkeiten noch eine hinzuzufügen. 
Fürwahr, ehe ein Steinobelisk, ein Dutzend 
denkmal oder irgend eine brave Mittelmäßigkeit 
zum Schärdinger Weltkrieg - Denkmal werden 
würde, möchte ich es lieber sehen, wenn wir 
Schärdinger uns einmal abseits stellen würden 
und uns vor diesem Moderummel - und zu 
einem solchen wird leider die Pietätshascherei 
ausarten — verschlössen. 
Schluß folgt.
	        
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