Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Neunter Band. (Neunter Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/18 
Deutschen zu machen und die Lüge zu verbreiten, die Deut 
schen hätten die französischen Städte in Brand gesteckt. 
St. Quentin, Cambrai und viele andere Orte waren aller 
dings trostlvse Trümmerhaufen geworden, Douai, Vouziers 
sowie auch Lille konnte man fast ein ähnliches Schicksal vor 
aussagen. Das war aber nicht die Schuld der Deutschen, son 
dern die ihrer Gegner, die diese Städte rücksichtslos unter 
Artilleriefeuer nahmen. Was die Deutschen zerstörten, 
hielt sich durchaus in. Nahmen militärischer Notwendigkeiten, 
die geboten, dem Feinde nichts zu hinterlassen, was ihm zur 
Fortführung des Kampfes nützlich sein konnte. Vormarsch 
nach Deutschland hieß demnach Vernichtung ganz Nord 
frankreichs und Belgiens. Das fühlte die unglückliche Be 
völkerung des bedrohten Gebietes sehr wohl. Als daher 
Douai und Lille schweres Feuer aus englischen Geschützen 
erhielten (siehe d e Kur» beilage), flohen die Landesbewohner, 
die vier Jahre hindurch in Sicherheit gelebt hatten, ostwärts. 
Die deutsche Heeresleitung sorgte dabei nach Kräften, die 
Fliehenden in Sicherheit zu bringen, doch war die Ab- 
beförd.rung sehr schwierig, da vor allen Dingen die 
Ortsausgänge unter F uer gehalten wurden. Man hatte 
der Zivilbevölkerung durch öffentliche Anschläge mehrere 
Tage zuvor den Abtransport bekanntgegeben. Darauf er 
folge die persönliche Aufforderung an die Familien, Be 
sprechungen nrit dem Bürgermeister, Ausgabe von Ein 
teilungskarten an Familien, Einteilung in Kolonnen, die 
Verpflegungsausgabe für mehrere Tage. 
Außerhalb des Ortes wurden Sammelplätze 
angelegt und von der Militärbehörde Pferde, 
Wagen und Eisenbahnzüge zur Verfügung 
gestellt, die für die Zeit und die Dauer 
des Abtransports der B völkerung für 
Militärzwrcke gesperrt waren. Die Kolon 
nen wurden von Begleitmannschaften über 
nommen, die sie auf befohlenen Straßen 
nach Orten des Hintergeländes brachten, 
nach denen Quartiermacher vorausg. schickt 
worden waren. 
Man hatte dafür Sorge getragen, das; 
Fanlilienangehörige beisammenblieben, und 
hatte es der Bevölkerung erlaubt, das Nö 
tigste non ihrem Hab und .Gut mitzuneh 
men. Sie machte davon auch ausgiebig 
Gebrauch und führte auf Karren und selbst 
gezimmerten Wägelchen und größeren Wa 
gen alles Mögliche mit sich. Auf den Wasser 
straßen Nordfrankreichs transportierte man 
Greise, Kranke und Kinder, die den An 
strengungen des Fahrens auf d.n Land 
straßen nicht gewachsen gewesen wären. 
So wurden sachgemäß auf Kähnen aus 
Douai 500 Kranke und Krüppslkinder und 250 kranke 
Flauen aus Privathäusern und Hospitä ern unter Aufsicht 
eines Arztes und mit Unterstützung von Sanitätspersonal 
vor den englischen Granaten in Sicherheit gebracht. — 
* * 
* 
Während Bulgarien rasch von den Deutschen geräumt 
wurde und auch die deutschen Zivilisten das Land auf An 
raten der deutschen Regierung verliehen, vollzog sich in der 
Türkei nach ihrer Niederlage an der Palästiuafront (stehe 
dü Bilder CeiteL47) eine, Wandlung, die nicht als deutsch- 
freimbltd) angesehen werden tonnte. Talaat Pascha, der 
Erotzwesir (siehe Bild in Band VI Seite 208). imb Enver 
Pascha, der Kriegsminister (siehe Bild in Band VI Seite 208 
und in Band I Seite 327), beide die Hauptstützen der tür 
kischen Kriegführung und überzeugte Anhänger des Bünd 
nisses mit Deutschland, traten am 8. Oktober von ihren 
Ämtern zurück. In dem neuen Ministerium wurde Jzzet 
Pascha Erotzwesir und Kriegsminister (siehe untenstehendes 
Bild), Fethy Bey Minister des Innern, Recuf Bey 
Marineminister und Dschavid Bey Finanzminister. Die 
Geschäfte des Ministers des Nutzern, dessen Ernennung 
noch ausstand, übernahm einstweilen Nabi Bey. 
Immerhin vollzog sich der Abfall der Türkei vom Bünd 
nis mit den Mittelmächten nicht mit solcher Geschwindigkeit, 
wie der Bulgariens; auch hatte es den Anschein, als ob die 
Türkei nicht beabsichtige, völlig mit den Verbündeten zu 
brechen. Galt d.r neue Grotzwesir doch als P.rsönlichk it 
von fortschrittlicher G.sinnung und ausgesprochener Recht 
lichkeit. Zur Z it d.s Sultans Abdul Hamid mutzte er 
als Vizemajor diese Gesinnung mit langjähriger Verban 
nung bützen. In Deutschland militärisch ausgebildet, wusste 
er den Deutschen bisher warme Sympathien entgegenzubrin 
gen. Gemeinsam mit dem damaligen Grotzwesir Mahmud 
Sch fket Pascha, in dessen KabineÜ er als Kriegsminister 
wirkte, ging von ihnen der Plan für eine deutsche Mili 
tärmission in der Türkei aus, die dann im Herbst 1913 
unter seinem Nachfolger Eurur Pascha ins Leben trat. — 
-fr * 
Auch in Österreich-Ungarn traten Ereig 
nisse ein, die unter lernen Umständen zur 
Stärkung des Bündnisses beitragen konnten. 
Die Monarchie ging daran, sich als geschlos 
sener Staat preiszugeben, um ein lockeres 
Gebilde aus vielen kleinen Einzelstaaten 311 
werden. Dabei drangen deutschfeindliche 
Elemente, namentlich die Tschechen und 
die Karolyipartei in Ungarn in den Vorder 
grund, deren wachsender Einflutz keineswegs 
die nachdrücklichste Führung des Krieges 
sicherte, so datz sich Deutschland immer mehr 
auf sich selbst angewiesen sah. 
An der italienischen Front spielten sich 
keine Vorfälle von Bedeutung ab, dagegen 
erneuerten die feindlichen Mächte in der 
Adria wiederholt ihre Versuche, die Stütz 
punkte der österreichisch-ungarischen Flotte 
und der k. u. k. Besatzungstruppen, also in 
erster Linie Pola, Cattaro und Durazzo, 
zu schädigen. Vornehmlich der Haupt 
kriegshafen Pola war des öftern das Ziel 
grötzerer italienischer Bombengeschwader 
(siehe Bild Seite 249) , die aber nach den Mitteilungen 
der k. u. k. Admiralität keinen nennenswerten Erfolg auf 
zuweisen hatten. Man darf das umso eher glauben, als sich 
in dem weitzen Karstgelände die Bauten wenig vom um 
gebenden Gestein abheben und den notgedrungen in 
grotzer Höhe schwebenden Fliegern denkbar schlechte Ziel 
möglichkeiten bieten. Anderseits ist es am 20. Sep 
tember einem österreichisch-ungarischen II-Boot gelun 
gen, vor Durazzo ein feindliches II-Boot zu versenken; 
nach einer Havasmeldung war es das französische II-Boot 
„Circe" (siehe Bild Seite 248). (Fortsetzung solgt.) 
Illustrierte Kriegsberichte 
Überraschungen einer U-Bootfahrt. 
Von Reinhard Roehle. 
«Fortsetzung.) 
Unter Wasser fahrend und so wenig wie möglich das 
Sehrohr zeigend, näherte sich das II-Boot der Stelle, die 
nach kurzer Berechnung als Arbeitsgebiet in Aussicht ge 
nommen morden war. Je mehr sich der Zwischenraum 
verringerte, der Jäger und Wild voneinander trennte, 
desto seltener liefe der Kommandant die Spitze des Seh 
rohrs, die so leicht zum Verräter werden konnte, über die 
Wasserfläche ragen, und dann nur so hoch, datz gerade die 
Mastspitzen im Gesichtsfelde erschienen. Genügte dies doch, 
um sich zu vergewissern, ob auch alle drei Fahrzeuge ihre 
ursprüngliche Richtung beibehielten und der eigene Kurs 
wirklich zu einem von beiden Teilen ungefähr gleich weit 
entfernten Punkt führe. Denn da die Voraussetzungen bei 
der Berechnung wegen der grotzen Entfernung nur schätzungs 
weise angenommen werden konnten, mutzte selbstverständlich 
unterwegs die Fahrtrichtung der Beobachtung entsprechend 
geändert werden. 
Der Augenblick des Handelns war gekommen. Die 
Mastspitzen der drei Schiffe bildeten ein Dreieck, in dessen 
Mitte sich das Unterseeboot befand. 
Nun erst liefe Dühring das Sehrohr so weit ausführen, 
datz er seine Opfer — schon betrachtete er sie als solche 
— in ihrer vollen Ausdehnung mustern konnte. 
„Herr Oberleutnant scheinen nicht sehr befriedigt zu
	        
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