246 Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/18 Deutschen zu machen und die Lüge zu verbreiten, die Deut schen hätten die französischen Städte in Brand gesteckt. St. Quentin, Cambrai und viele andere Orte waren aller dings trostlvse Trümmerhaufen geworden, Douai, Vouziers sowie auch Lille konnte man fast ein ähnliches Schicksal vor aussagen. Das war aber nicht die Schuld der Deutschen, son dern die ihrer Gegner, die diese Städte rücksichtslos unter Artilleriefeuer nahmen. Was die Deutschen zerstörten, hielt sich durchaus in. Nahmen militärischer Notwendigkeiten, die geboten, dem Feinde nichts zu hinterlassen, was ihm zur Fortführung des Kampfes nützlich sein konnte. Vormarsch nach Deutschland hieß demnach Vernichtung ganz Nord frankreichs und Belgiens. Das fühlte die unglückliche Be völkerung des bedrohten Gebietes sehr wohl. Als daher Douai und Lille schweres Feuer aus englischen Geschützen erhielten (siehe d e Kur» beilage), flohen die Landesbewohner, die vier Jahre hindurch in Sicherheit gelebt hatten, ostwärts. Die deutsche Heeresleitung sorgte dabei nach Kräften, die Fliehenden in Sicherheit zu bringen, doch war die Ab- beförd.rung sehr schwierig, da vor allen Dingen die Ortsausgänge unter F uer gehalten wurden. Man hatte der Zivilbevölkerung durch öffentliche Anschläge mehrere Tage zuvor den Abtransport bekanntgegeben. Darauf er folge die persönliche Aufforderung an die Familien, Be sprechungen nrit dem Bürgermeister, Ausgabe von Ein teilungskarten an Familien, Einteilung in Kolonnen, die Verpflegungsausgabe für mehrere Tage. Außerhalb des Ortes wurden Sammelplätze angelegt und von der Militärbehörde Pferde, Wagen und Eisenbahnzüge zur Verfügung gestellt, die für die Zeit und die Dauer des Abtransports der B völkerung für Militärzwrcke gesperrt waren. Die Kolon nen wurden von Begleitmannschaften über nommen, die sie auf befohlenen Straßen nach Orten des Hintergeländes brachten, nach denen Quartiermacher vorausg. schickt worden waren. Man hatte dafür Sorge getragen, das; Fanlilienangehörige beisammenblieben, und hatte es der Bevölkerung erlaubt, das Nö tigste non ihrem Hab und .Gut mitzuneh men. Sie machte davon auch ausgiebig Gebrauch und führte auf Karren und selbst gezimmerten Wägelchen und größeren Wa gen alles Mögliche mit sich. Auf den Wasser straßen Nordfrankreichs transportierte man Greise, Kranke und Kinder, die den An strengungen des Fahrens auf d.n Land straßen nicht gewachsen gewesen wären. So wurden sachgemäß auf Kähnen aus Douai 500 Kranke und Krüppslkinder und 250 kranke Flauen aus Privathäusern und Hospitä ern unter Aufsicht eines Arztes und mit Unterstützung von Sanitätspersonal vor den englischen Granaten in Sicherheit gebracht. — * * * Während Bulgarien rasch von den Deutschen geräumt wurde und auch die deutschen Zivilisten das Land auf An raten der deutschen Regierung verliehen, vollzog sich in der Türkei nach ihrer Niederlage an der Palästiuafront (stehe dü Bilder CeiteL47) eine, Wandlung, die nicht als deutsch- freimbltd) angesehen werden tonnte. Talaat Pascha, der Erotzwesir (siehe Bild in Band VI Seite 208). imb Enver Pascha, der Kriegsminister (siehe Bild in Band VI Seite 208 und in Band I Seite 327), beide die Hauptstützen der tür kischen Kriegführung und überzeugte Anhänger des Bünd nisses mit Deutschland, traten am 8. Oktober von ihren Ämtern zurück. In dem neuen Ministerium wurde Jzzet Pascha Erotzwesir und Kriegsminister (siehe untenstehendes Bild), Fethy Bey Minister des Innern, Recuf Bey Marineminister und Dschavid Bey Finanzminister. Die Geschäfte des Ministers des Nutzern, dessen Ernennung noch ausstand, übernahm einstweilen Nabi Bey. Immerhin vollzog sich der Abfall der Türkei vom Bünd nis mit den Mittelmächten nicht mit solcher Geschwindigkeit, wie der Bulgariens; auch hatte es den Anschein, als ob die Türkei nicht beabsichtige, völlig mit den Verbündeten zu brechen. Galt d.r neue Grotzwesir doch als P.rsönlichk it von fortschrittlicher G.sinnung und ausgesprochener Recht lichkeit. Zur Z it d.s Sultans Abdul Hamid mutzte er als Vizemajor diese Gesinnung mit langjähriger Verban nung bützen. In Deutschland militärisch ausgebildet, wusste er den Deutschen bisher warme Sympathien entgegenzubrin gen. Gemeinsam mit dem damaligen Grotzwesir Mahmud Sch fket Pascha, in dessen KabineÜ er als Kriegsminister wirkte, ging von ihnen der Plan für eine deutsche Mili tärmission in der Türkei aus, die dann im Herbst 1913 unter seinem Nachfolger Eurur Pascha ins Leben trat. — -fr * Auch in Österreich-Ungarn traten Ereig nisse ein, die unter lernen Umständen zur Stärkung des Bündnisses beitragen konnten. Die Monarchie ging daran, sich als geschlos sener Staat preiszugeben, um ein lockeres Gebilde aus vielen kleinen Einzelstaaten 311 werden. Dabei drangen deutschfeindliche Elemente, namentlich die Tschechen und die Karolyipartei in Ungarn in den Vorder grund, deren wachsender Einflutz keineswegs die nachdrücklichste Führung des Krieges sicherte, so datz sich Deutschland immer mehr auf sich selbst angewiesen sah. An der italienischen Front spielten sich keine Vorfälle von Bedeutung ab, dagegen erneuerten die feindlichen Mächte in der Adria wiederholt ihre Versuche, die Stütz punkte der österreichisch-ungarischen Flotte und der k. u. k. Besatzungstruppen, also in erster Linie Pola, Cattaro und Durazzo, zu schädigen. Vornehmlich der Haupt kriegshafen Pola war des öftern das Ziel grötzerer italienischer Bombengeschwader (siehe Bild Seite 249) , die aber nach den Mitteilungen der k. u. k. Admiralität keinen nennenswerten Erfolg auf zuweisen hatten. Man darf das umso eher glauben, als sich in dem weitzen Karstgelände die Bauten wenig vom um gebenden Gestein abheben und den notgedrungen in grotzer Höhe schwebenden Fliegern denkbar schlechte Ziel möglichkeiten bieten. Anderseits ist es am 20. Sep tember einem österreichisch-ungarischen II-Boot gelun gen, vor Durazzo ein feindliches II-Boot zu versenken; nach einer Havasmeldung war es das französische II-Boot „Circe" (siehe Bild Seite 248). (Fortsetzung solgt.) Illustrierte Kriegsberichte Überraschungen einer U-Bootfahrt. Von Reinhard Roehle. «Fortsetzung.) Unter Wasser fahrend und so wenig wie möglich das Sehrohr zeigend, näherte sich das II-Boot der Stelle, die nach kurzer Berechnung als Arbeitsgebiet in Aussicht ge nommen morden war. Je mehr sich der Zwischenraum verringerte, der Jäger und Wild voneinander trennte, desto seltener liefe der Kommandant die Spitze des Seh rohrs, die so leicht zum Verräter werden konnte, über die Wasserfläche ragen, und dann nur so hoch, datz gerade die Mastspitzen im Gesichtsfelde erschienen. Genügte dies doch, um sich zu vergewissern, ob auch alle drei Fahrzeuge ihre ursprüngliche Richtung beibehielten und der eigene Kurs wirklich zu einem von beiden Teilen ungefähr gleich weit entfernten Punkt führe. Denn da die Voraussetzungen bei der Berechnung wegen der grotzen Entfernung nur schätzungs weise angenommen werden konnten, mutzte selbstverständlich unterwegs die Fahrtrichtung der Beobachtung entsprechend geändert werden. Der Augenblick des Handelns war gekommen. Die Mastspitzen der drei Schiffe bildeten ein Dreieck, in dessen Mitte sich das Unterseeboot befand. Nun erst liefe Dühring das Sehrohr so weit ausführen, datz er seine Opfer — schon betrachtete er sie als solche — in ihrer vollen Ausdehnung mustern konnte. „Herr Oberleutnant scheinen nicht sehr befriedigt zu