Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

Das spanische Zentrum im XIV. Jahrhundert 
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rüchte ausgesprengt, daß zwei Juden an der Ermordung der Königin 
mitbeteiligt gewesen seien (viele der damals in Umlauf gebrachten Fa 
beln fanden ihren Widerhall in den späteren französischen Romanzen, 
die die Tragödie der Prinzessin von Bourbon zum Gegenstände ha 
ben). Um den König noch mehr verhaßt zu machen, verbreitete man 
das Märchen, Pedro wäre selbst Jude. Man erzählte nämlich, daß 
Alfons XI. über seine Gattin ungehalten gewesen sei, weil sie ihm 
lauter Mädchen gebar; daher hätte einst die Königin, als sie wieder 
von einem Mädchen entbunden worden war und den Zorn ihres Gat 
ten fürchtete, mit Hilfe ihrer Hebamme statt des neugeborenen Kin 
des irgendeinen jüdischen Knaben unterschoben. Dieser falsche Kö 
nigssohn eben sei es gewesen, der später unter dem Namen Pedro den 
Thron bestiegen hätte. Solche Erfindungen hatten keine geringe Wir 
kung auf den Verlauf des dynastischen Kampfes. Heinrich warf den 
Kastiliern immer wieder höhnisch vor, daß sie von einem Juden 
regiert würden, und bekräftigte seine Behauptung durch den Hinweis 
auf die Pedro im Bürgerkrieg von jüdischer Seite zuteil gewordene 
Unterstützung. 
In der Tat hielten die Juden treu zu dem rechtmäßigen König, 
um so mehr als sein Nebenbuhler Heinrich sich auf die ihnen feind 
liche klerikale Partei stützte. Bei der Belagerung der königstreuen 
Städte durch die Truppen des Thronanwärters beteiligten sich die 
jüdischen Gemeinden an der Abwehr der Aufrührer, wofür sie nicht 
selten mit ihrem Leben oder Vermögen büßen mußten. So wurde in 
Birviesca, in der Nähe von Burgos, nachdem die Stadt von den Auf 
rührern nieder gerungen worden war, die gesamte aus 200 Familien 
bestehende jüdische Gemeinde restlos ausgerottet In Burgos selbst 
berieten die drei dort vertretenen Bevölkerungsgruppen, Christen, Ju 
den und Muselmanen, darüber, ob man die Stadt dem herannahenden 
Heere Heinrichs übergeben oder sich verteidigen solle. Die Christen 
entschieden sich auf Zureden des Erzbischofs für die Übergabe und 
ihnen schloß sich auch der muselmanische Bevölkerungsteil an; die 
Juden bedangen sich aber, ehe sie an die Beschlußfassung gingen, 
das Recht aus, falls ihr Entschluß mit dem der übrigen Stadtbewoh 
ner nicht übereinstimmen sollte, die Stadt verlassen und nach Ara- 
gonien oder Portugal auswandern zu dürfen, stimmten indessen 
schließlich dennoch für die Übergabe. Trotzdem legte Heinrich der 
jüdischen Gemeinde nach seinem Einzug in Burgos (i366) eine
	        
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