Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

Das spanische Zentrum im XIV. Jahrhundert 
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namentlich in Toledo von unerhörten Gewalttaten begleitet: man be 
raubte die Armen ihrer letzten Habseligkeiten und scheute sich nicht, 
die mittellosen Gemeindemitglieder ins Gefängnis zu werfen, zu fol 
tern, ja in die Sklaverei zu verkaufen. Der von der klerikalen Partei 
und dem Adel schon längst gehegte Plan einer sozialen Degradierung 
der Juden konnte jetzt mit viel größerem Erfolge als ehedem in die 
Tat umgesetzt werden. Die in Toro zusammengetretenen Cortes 
(1371) verlangten die Ergreifung folgender Maßnahmen gegen den 
„bösen und frechen Stamm“: die Juden sollten keinerlei Ehrenämter 
an der Seite des Königs oder der Granden bekleiden, zu der Steuer- 
und Zollpacht nicht zugelassen werden, abgeschieden von den Chri 
sten leben, das von den Kirchenkonzilen festgesetzte Zeichen auf dem 
Obergewande tragen, sich nicht in prunkvoller Tracht auf der Straße 
zeigen, nicht auf Maultieren reiten und keine christlichen Namen 
führen. Der König kam diesen Forderungen insofern entgegen, als 
er den Juden in der Tat die Führung christlicher Namen untersagte 
und das Zeichen auf dem Gewände für sie obligatorisch machte. Die 
letzte Verordnung traf die an bürgerliche Freiheit gewöhnten kastili- 
schen Juden besonders schwer und sie werden ihr wohl keine Folge 
geleistet haben. Überdies fügte Heinrich II. den Juden auch einen 
beträchtlichen materiellen Schaden zu, indem er die ihnen von Chri 
sten geschuldeten Summen um ein Drittel reduzierte. 
Dies war aber auch die äußerste Grenze, bis zu der der König in 
seinen antijüdischen Repressalien ging. Er war sich der wichtigen 
Rolle, die die Juden im wirtschaftlichen Leben des Landes spielten, 
viel zu sehr bewußt, um sie völliger Rechtlosigkeit und dem Ruin 
preiszugeben. Konnte er doch selbst die Dienste der jüdischen Finanz 
männer nicht entbehren. Auf die von den Cortes eingelegte Verwah 
rung gegen die Einsetzung von Juden in Finanzverwaltungsämter 
erwiderte der König, daß er hierbei nur in den Fußstapfen seines 
seligen Vaters Alfons XI. sowie dessen Vorgänger wandle. So nahm 
er denn keinen Anstand, zum Hauptsteuereinnehmer von Kastilien den 
Juden Joseph Pichon aus Sevilla zu ernennen, während zugleich auch 
noch ein anderer, aus derselben Stadt stammender Jude, Samuel 
Ahravanel, bei Hofe großes Ansehen genoß. 
Die breiten jüdischen Volksmassen vermochten jedoch aus die 
ser Bevorzugung Einzelner kaum großen Nutzen zu ziehen. Die jüdi 
schen Würdenträger in Spanien ermangelten schon lange jener Tu-
	        
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