Volltext: Die Lebensbeschreibung Severins als kulturgeschichtliche Quelle (2 ; 1903)

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erkannt, daß Severin weniger in den Ausgang des Altertums, als in den 
Anfang des kirchlich-germanischen Mittelalters gehöre: „Er kommt wie 
der Vorläufer einer neuen Zeit. Zum ersten Male in seiner Person 
werden dieser Periode die großen lebendigen und erhaltenden Potenzen 
der Kirche gegenwärtig.“ 
Meines Erachtens dürfte die Auffassung, die Severins Persönlichkeit 
mehr in den Anfang des Mittelalters, als in den Ausgang des Alter 
tums einreiht, in einer Betrachtung dessen, was seine vita hinsichtlich 
des kulturgeschichtlichen Verständnisses seiner Zeit vermittelt, eine 
wesentliche Stärkung erfahren. 
Es soll auf den folgenden Blättern der Versuch unternommen werden, 
aus der vita Severini nicht das, was sie für die politische Geschichte, 
sondern das, was sie für die Kulturgeschichte des fünften nachchristlichen 
Jahrhunderts ausgibt 1 ), zu entnehmen. Auf den Streit über den Begriff 
der Kulturgeschichte hier einzugehen, liegt nicht in meiner Absicht, und 
ich bemerke, ganz im allgemeinen, ohne mich auf weitere Definitionen 
einzulassen, daß der Zweck meiner Untersuchungen der ist, einmal den 
Wert der vita für die Erkenntnis von Ereignissen und Zuständen, die aus 
nichtpolitischer menschlicher Betätigung herauswachsen, ins Licht zu 
setzen. Dabei beabsichtige ich nicht etwa nach dem Rezept jener 
Biographen zu verfahren, die aus einer Zusammenstellung von allerhand 
Quellennachrichten, welche zumeist nur zum Teil der betreffenden Zeit, 
über die sie Auskunft geben sollen, angehören, ein sogenanntes Milieu 
zurecht konstruieren, von dem sich dann die Persönlichkeit des Helden 
abheben soll. Die Untersuchung soll die vita Severini selber zu Wort 
kommen lassen und die für die Tätigkeit des Heiligen maßgebende 
kirchliche und wirtschaftliche Situation, insofern sie sich eben in der 
vita offenbart, aufzuhellen trachten. Hier, in dem zuständlichen Gehalt 
der vita, liegt der feste Kern, von dem aus wir einerseits zur Erkenntnis 
3 ) Reinhold Pallmann, Die Geschichte der Völkerwanderung 1864 II 394, meint, die vita 
sei nicht ohne weiteres für eine Quelle zur Kulturgeschichte Norikums in jenen Zeiten zu 
halten, sie sei ein Bild ohne gleichmäßige Verteilung von Licht und Schatten und daher ein 
schlechtes Bild. Julius Jung, Römer und Romanen in den Donauländern 2. Aufl. 1887 
S. 158 —162, 243f., 249, hat bereits einzelne kulturgeschichtliche Züge der vita, ohne sie im 
Zusammenhang darzustellen und ohne den Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben, ins Licht 
gestellt. Ich habe diese Arbeit erst nach Vollendung der meinigen eingesehen, wie der 
Kundige leicht erkennen wird.
	        
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