Friedensoffensive Haeften und Kühlmanns Entlaffung 81
tifchem Gebiete. Die Reichstagsmehrheit, auf die Graf Hertling
sich bisher gestützt habe, schien von Anfang an gewisse Befürch¬
tungen zu verraten, der neue Kanzler könne stark konservativ ge¬
richtet sein. Sie erblickte in der Person des Vizekanzlers v. Payer
ein Korrektiv hiergegen und in meiner Person eine gewisse Ge¬
währ für die Stetigkeit der eingeschlagenen Politik. Ein Per¬
sonenwechsel in diesem Augenblicke — besonders wenn er die Deu¬
tung zuließe, als solle eine mehr nach rechts gerichtete Orientie¬
rung eingeschlagen werden — scheine mir vom innerpolitischen
Standpunkte aus nicht ohne Gefahren. Insbesondere hielte ich
starke Angriffe gegen den Herrn Reichskanzler für denkbar.
Biel schwerer aber seien meine Bedenken auf dem Gebiete
der auswärtigen Politik. Es habe sich, weniger durch mein Zutun
als durch die Agitation der alldeutschen Presse, im Auslande die
Vorstellung festgesetzt, ich verträte in Deutschland eine ausglei¬
chende, friedenswillige Politik. Derartige Tendenzen zu fördern,
insbesondere den englischen Ausführungen von General Smuts,
Balfour und Asquith zu antworten, sei der Zweck meiner letzten
vielbesprochenen Reichstagsrede gewesen. Ein Personenwechsel
im gegenwärtigen Augenblicke werde im Auslande voraussichtlich
als ein Unterliegen der friedensliebenden Tendenzen in Deutsch¬
land und als ein Sieg der alldeutschen Agitation aufgefaßt
werden.
Es stehe zu befürchten, daß durch eine solche Auffassung ge¬
wisse, nur in zarten Umrissen erkennbare Versuche zu einer An¬
näherung im Keime zerstört würden. Es liege in der Natur der¬
artiger internationaler Dinge, besonders in ihren ersten Anfän¬
gen, daß bei ihnen die Personenfrage eine nicht gleichgiltige Rolle
spiele. Einesteils könne ich keine Gewähr dafür übernehmen, daß
sich aus den erkennbaren Ansätzen etwas Brauchbares entwickeln
werde, andererseits sei ich nicht in der Lage, auch nur mit einiger
Sicherheit zu behaupten, daß ein Personenwechsel solche Ansätze
unter allen Umständen zerstören müsse. Ich erblickte aber doch
bei meiner Gesamtanschauung der Lage selbst in einer Gefähr¬
dung dieser Dinge eine eminente Bedrohung.
Auch nach der russischen Seite hin sei rasches Handeln der
politischen Leitung unbedingt notwendig, um die Gunst der zur
Zeit sehr vorteilhaften Lage ganz ausnützen zu können.
Zu all diesen Dingen brauche aber die politische Leitung ein
gewisses Maß von Bewegungsfreiheit und Selbständigkeit, sonst
könne sie keine Wirkung erzielen. Ich könne nicht prophezeien: ich
hielte aber, die eben skizzierten Bedingungen vorausgesetzt, eine
Beendigung des Krieges noch in diesem Herbste durch glückliche
Vereinigung von Waffenerfolgen mit diplomatischer Aktion für
Schwertfeger, DaZ Weltkriegsenöe
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