Volltext: Das Weltkriegsende

möglich. Ein Hineintragen des Krieges in das nächste Jahr schiene 
mir eine nach vielen Seiten hin bedenkliche Perspektive. Die Be¬ 
fürchtung müsse nahe liegen, daß ein Personenwechsel in diesem 
Augenblicke wie oben beschrieben aufgefaßt und dadurch krieg¬ 
verlängernd wirken müsse. 
Ich glaubte, mit diesen etwa halbstündigen Darlegungen 
meine Pflicht nach allen Seiten erfüllt zu haben, zumal die ange¬ 
führten Gründe auf Seine Majestät keinerlei Eindruck zu machen 
schienen. (gez.) R. v. Kühlmann." 
Am 9. Juli bestimmte der Kaiser den Gesandten v. Hintze zum 
Staatssekretär des Auswärtigen Amtes. Hintze hatte schwere Be¬ 
denken, ob er das Amt annehmen solle. Er tat es schließlich auf Be¬ 
fehl des Monarchen, mußte sich nun aber erst in die tatsächliche Lage 
Deutschlands, wie sie von der Perspektive des Großen Hauptquar¬ 
tiers aus erschien, hineindenken. Der Reichskanzler entschloß sich 
dazu, mit Hintze gemeinsam nach Berlin zu fahren, um ihn dort mit 
den führenden Parlamentariern bekanntzumachen. In einer Sitzung 
des Hauptausschusses gab er am 11. Juli Aufschluß über die Gründe, 
die zu der Verabschiedung Kühlmanns geführt hatten, und beruhigte 
die Parlamentarier darüber, daß von einem Wechsel in der Richtung 
der auswärtigen Politik nicht die Rede sein solle. Schon am 12. Juli 
kehrte Hertling nach Spa zurück und erstattete dem Kaiser am 13. 
seinen Bericht „über das friedliche Ende, das die Kühlmannkrisis in 
Berlin gefunden hatte". 
Am gleichen Abend begab sich der Kaiser an die Front, um die 
Truppen vor dem für den 15. Juli beabsichtigten Angriff auf Reims 
zu besuchen. Er war voller Zuversicht und hoffte auf den Erfolg der 
Überraschung. 
In der O.H.L. war man der Ansicht, daß die sorgfältig vorbe¬ 
reitete Schlacht um Reims ein neuer entscheidender und weit rei- 
chender Schlag für die französische Armee und das französische Volk 
und damit die beste Grundlage für die Hagenschlacht gegen die Eng¬ 
länder werden könnte. In diesem Sinne hatte sich der Chef der 
Operationsabteilung, Oberstleutnant Wetzell, in einer Denkschrift 
vom 12. Juni 1918 geäußert. Für den Fall des Sieges bei Reims 
erhoffte er — Denkschrift vom 27. Juni — einen siegreichen Schlag 
gegen die Engländer und sodann die Möglichkeit eines Angriffes in 
der Richtung auf Paris, falls die dafür notwendig werdenden 40 bis 
45 Angriffsdivisionen noch aufzubringen wären. 
Die O.H.L. glaubte also damals noch in der Lage zu sein, den 
Feind durch größere Angriffsschlüge friedenswillig zu machen. Die 
bisher unternommenen Offensiven hatten zu großen taktischen Er-
	        
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