Volltext: Drama und Theater in Österreich ob der Enns bis zum Jahre 1803

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ihren Fuß umschlang die Stuffen. Arme in schmachtender Andacht hörten 
Leute in den Tempel kommen, sie wankten selben hoffnungsvoll entgegen, 
flehten aber vergebens um eine kleine Gabe bey einem Schwarm Menschen? 
die kostbare Opfer gegen dem Altar trugen, ohne die jammernde Armuth an¬ 
zusehen. Hierüber erstaunte die Religion, gab durch die trefliche Anspielung, 
daß Sie den Kelch vom Altar auf die Seite setzte zu erkennen: daß diese Leute 
nur von dem Leben und Tod des Religionsstifters, aber nicht auch von seinen 
Lehren unterrichtet sind, weßwegen Sie in dem Augenblick, als die Opferer 
sich auf die Kniee werffen wollten, ihre Gaben zu überreichen, unter einem 
fürchterlich feuerlichen Posaunenstoß /(der die Opferer in das größte Schröcken 
versetzte) das auf dem Altar liegende Buch eröffnete, worin aus Matth. 9, Vers 13, 
zu lesen war: Ich will Barmherzigkeit und nicht Opfer. Hierauf verwieß Sie 
die gerührt und beschämten Opferer an die Armen, und voll der innigsten 
Wärme flohen die Zurechtgewiesenen zu der im Staube dankenden Armut, 
hoben sie von der Erde auf, druckten sie an ihre Brust, küßten sie brüderlich 
und führten sie unter dem Triumpfe der Religion (den sie wehrend dem Schalle 
der Trompeten und Paucken äußerten) mit sich aus dem Tempel fort. 
Daß Publikum war dabey so überrascht, gerührt, und entzückt, daß es 
sich nicht ehe beruhigen ließ, bis die ganze Scene noch einmal mit eben so 
lauten und beynahe unzuberuhigenden Beyfall wiederhollet wurde. Erfindung 
und Ausarbeitung der Scene war von Herrn Censursaktuar Cremeri, und die 
dazu treflich komponirte Musik von Herrn Lasser. Diese Erzählung, enthält 
ohnedem das größte Lob für die Spieler, folglich haben wir weiter nichts mehr 
zu sagen. 
Was die Zeitung damals an schmeichelhaften Ergüssen über 
solche „karakterisierte Menschenfreunde“ zustande brachte, über¬ 
trifft weit unsere heutigen Berichte über „wohl-“ oder „trefflich 
geschulte“ ländliche Musikkapellen und „formvollendete“ Reden. 
Da heißt es z. B. im Berichte der „Linzer Zeitung“ über eine 
Linzer Dilettanten-Aufführung am 20. Dezember 1785: 
Man gab die „Schule der Eifer sichtigen“. Was bey dieser Oper 
Salieri geleistet, ist ohnedem jeden Musikkenner bekannt; folglich haben wir 
nur von den Darstellern zu reden. Da uns aber der Raum fehlt, uns in das 
Detail einzulassen, müssen wir uns nur mit abgerissenen Bemerkungen begnügen. 
Das Singspiel also wurde ganz besonders vortreflich aufgeführet, Kostüm in 
Kleidung und Dekoration, Beleichtung und Orchester war gewählt; jede spielende 
Person zeugte, daß sie den wahren Charakter der Aria ganz gefaßt, jeden Ge¬ 
danken des Dichters und Tonsetzers ganz ergriefen, denn jede Sylbe, jeder Ton 
wurde in seinem wahren Lichte dargestellt, was trefliche Mimik unterstützte. 
Weit entfernt von jenen unempfindlichen stumpfen Sängern von Profession, die 
hintreten, die Zuhörer für ihre Geschicklichkeit einzunehmen und sie zu frostigen 
Bewunderern ihrer Kehle zu machen, stellten diese dem Publikum einzig das 
Bild eines von Empfindung durchdrungenen Menschen auf das vollkommenste 
in das Auge, und machten so diese Schule der Eifersichtigen zur schönsten 
Schule für Operisteu, die allgemeinen verdienten Beyfall einärnten wollen. Nirgend 
kann bey Chören das Ohr stärker von der vollkommenen Pracht der Harmonie 
und Schönheit der Melodie zugleich gerührt werden, wie es hier geschah; ohn-
	        
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