181 ihren Fuß umschlang die Stuffen. Arme in schmachtender Andacht hörten Leute in den Tempel kommen, sie wankten selben hoffnungsvoll entgegen, flehten aber vergebens um eine kleine Gabe bey einem Schwarm Menschen? die kostbare Opfer gegen dem Altar trugen, ohne die jammernde Armuth an¬ zusehen. Hierüber erstaunte die Religion, gab durch die trefliche Anspielung, daß Sie den Kelch vom Altar auf die Seite setzte zu erkennen: daß diese Leute nur von dem Leben und Tod des Religionsstifters, aber nicht auch von seinen Lehren unterrichtet sind, weßwegen Sie in dem Augenblick, als die Opferer sich auf die Kniee werffen wollten, ihre Gaben zu überreichen, unter einem fürchterlich feuerlichen Posaunenstoß /(der die Opferer in das größte Schröcken versetzte) das auf dem Altar liegende Buch eröffnete, worin aus Matth. 9, Vers 13, zu lesen war: Ich will Barmherzigkeit und nicht Opfer. Hierauf verwieß Sie die gerührt und beschämten Opferer an die Armen, und voll der innigsten Wärme flohen die Zurechtgewiesenen zu der im Staube dankenden Armut, hoben sie von der Erde auf, druckten sie an ihre Brust, küßten sie brüderlich und führten sie unter dem Triumpfe der Religion (den sie wehrend dem Schalle der Trompeten und Paucken äußerten) mit sich aus dem Tempel fort. Daß Publikum war dabey so überrascht, gerührt, und entzückt, daß es sich nicht ehe beruhigen ließ, bis die ganze Scene noch einmal mit eben so lauten und beynahe unzuberuhigenden Beyfall wiederhollet wurde. Erfindung und Ausarbeitung der Scene war von Herrn Censursaktuar Cremeri, und die dazu treflich komponirte Musik von Herrn Lasser. Diese Erzählung, enthält ohnedem das größte Lob für die Spieler, folglich haben wir weiter nichts mehr zu sagen. Was die Zeitung damals an schmeichelhaften Ergüssen über solche „karakterisierte Menschenfreunde“ zustande brachte, über¬ trifft weit unsere heutigen Berichte über „wohl-“ oder „trefflich geschulte“ ländliche Musikkapellen und „formvollendete“ Reden. Da heißt es z. B. im Berichte der „Linzer Zeitung“ über eine Linzer Dilettanten-Aufführung am 20. Dezember 1785: Man gab die „Schule der Eifer sichtigen“. Was bey dieser Oper Salieri geleistet, ist ohnedem jeden Musikkenner bekannt; folglich haben wir nur von den Darstellern zu reden. Da uns aber der Raum fehlt, uns in das Detail einzulassen, müssen wir uns nur mit abgerissenen Bemerkungen begnügen. Das Singspiel also wurde ganz besonders vortreflich aufgeführet, Kostüm in Kleidung und Dekoration, Beleichtung und Orchester war gewählt; jede spielende Person zeugte, daß sie den wahren Charakter der Aria ganz gefaßt, jeden Ge¬ danken des Dichters und Tonsetzers ganz ergriefen, denn jede Sylbe, jeder Ton wurde in seinem wahren Lichte dargestellt, was trefliche Mimik unterstützte. Weit entfernt von jenen unempfindlichen stumpfen Sängern von Profession, die hintreten, die Zuhörer für ihre Geschicklichkeit einzunehmen und sie zu frostigen Bewunderern ihrer Kehle zu machen, stellten diese dem Publikum einzig das Bild eines von Empfindung durchdrungenen Menschen auf das vollkommenste in das Auge, und machten so diese Schule der Eifersichtigen zur schönsten Schule für Operisteu, die allgemeinen verdienten Beyfall einärnten wollen. Nirgend kann bey Chören das Ohr stärker von der vollkommenen Pracht der Harmonie und Schönheit der Melodie zugleich gerührt werden, wie es hier geschah; ohn-