VIII. Dilettantenbühne.
Die vielen Kriege, die das 18. Jahrhundert geführt hat, rissen
dem Volkswohlstände blutige Wunden und vermehrten das Elend,
das sich auch sonst durch verschuldete und unverschuldete Armut,
Krankheiten und Elementar-Ereignisse einstellt, in erschreckender
Weise. Da sollte und konnte das aus den allgemeinen Zeitideen
geborene neue Humanitätsideal sich erproben.
Was lag näher, als daß die Leute, welche die Schaubühne als
einen regenerierenden Faktor betrachteten, sich von einem an solch
wichtiger Stätte an die Herzen gerichteten Appell die wirksamsten
Folgen versprachen?
Und so stellte die josefinische Epoche die Bühne in den Dienst
der Nächstenliebe, gleichgültig, ob die Träne des Mitleids vor Künstlern
oder Laien-Schauspielern floß, sie schuf die Dilettantenbühne.
Eine solche hat es freilich auch früher gegeben. Die Kreise,
welche im Mittelalter das Volksschauspiel pflegten, waren ja auch
keine Berufsschauspieler. Es sorgten zwar vielfach Stiftungen1) und
Bruderschaften für die ständige Pflege dieses Zweiges der Seelsorge
und es mögen auch die Rollen oft jahrelang an bestimmte Per¬
sonen verteilt gewesen sein, aber diese Dilettanten wußten nichts
von einem Gegensätze zum „wirklichen“ Theater und weder erblickte
das Mittelalter in den fahrenden Gauklern noch die Zeit der Gegen¬
reformation in den englischen Komödianten überlegene Rivalen.
Wesentlich neu ist also am Liebhabertheater des 18. Jahr¬
hunderts das Bewußtsein der Arrangeure und Schauspieler, nur
*) In Braunau machte z. B. im Jahre 1478 der Spitalkaplan Hans
Behaim eine Stiftung für ein geistliches Schauspiel und englischen
Gruß. Davon erhielt der Pfarrer 20 8, die zwei Kapläne 8 8, der Schulmeister
32 o, der tribunus ecclesiasticus“ 8 8, die heil. Maria, 5 Engel und 5 Propheten
vorstellende Spieler 8 o, zusammen 3 ß 22 o. (K. Meindl, Geschichte der Stadt
Braunau 1882, II., S. 135.)
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