Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

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Der Zusammenbruch des jüdischen Zentrums in Spanien 
Juden dermaßen eingeschränkt, daß die Gemeinde von Lissabon sich 
gezwungen sah, dagegen nachdrücklichst Verwahrung einzulegen. 
Den Repressalien wurde indessen bald durch den Thronwechsel ein 
Ziel gesetzt. Nach einer zehnjährigen Regentschaft ergriff die Zügel 
der Regierung der Sohn des Duarte, Alfons V. (1447— I 48i), dem die 
Juden nicht ohne Grund ein gutes Andenken bewahrt haben. Zwar ist 
uns ein den Namen dieses Königs tragendes, alle die Juden betreffen 
den Rechtsbeschränkungen zusammenfassendes Gesetzbuch (Ordena- 
goens do rey Alfonso V.) überliefert, doch ließ sich der König von 
diesen von seinen Vorgängern erlassenen und von den Juristen unter 
ihm zusammengestellten Gesetzen in der Praxis in keiner Weise leiten. 
So durften die Juden unter Alfons V. in den Städten auch außerhalb 
der „Judarien“ wohnen, sich ohne Abzeichen auf der Straße zeigen 
und sogar prunkvolle Gewänder tragen, ferner öffentliche Ämter in 
der Finanzverwaltung bekleiden und ungehindert Handel treiben, so 
daß den „Ordonnanzen“ nur eine Scheingeltung zukam. Dies erregte 
allerdings den Unwillen des Klerus und der christlichen Kaufleute, 
und bald kam es auch in Lissabon zu den im benachbarten Spanien 
üblich gewordenen Ausschreitungen (i449)« Die Urheber der Hetze 
stachelten zunächst eine Schar rauflustiger Scholaren auf, die die Ju 
den auf dem Stadtmarkte überfielen. Darauf ließ der Stadthaupt 
mann (corregedor) die jugendlichen Unruhestifter festnehmen und 
öffentlich der Prügelstrafe unterziehen. Die dadurch aufgereizte 
Menge wandte sich nun gegen das jüdische Viertel, überwand den 
bewaffneten Widerstand seiner Einwohner und begann ihr Vernich 
tungswerk. Der Staatssekretär beeilte sich, den um jene Zeit in Evora 
weilenden König von den Vorgängen in der Hauptstadt zu benach 
richtigen und bat ihn, zur Beschwichtigung des Volkes schleunigst 
nach Lissabon zurückzukehren. Als Alfons wiedergekommen war, wa 
ren die Unruhen dank den Maßnahmen der Ortsbehörden bereits er 
loschen, doch rief der vom König erlassene Befehl, die Urheber der 
Hetze exemplarisch zu bestrafen, neue Erregung hervor. Es kam nun 
mehr zu einem Aufruhr gegen den König, der nur mit militärischen 
Machtmitteln unterdrückt werden konnte. 
Die Landtage oder „Cortes“, in denen die Konservativen über die 
Mehrheit verfügten, unterbreiteten Alfons V. immer wieder ihre Ent 
schließungen, in denen strenge Maßnahmen gegen die Juden gefor 
dert wurden. So beschwerten sich die Cortes von Santarem (i45i),
	        
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