Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

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§ 53. Portugal als Zufluchtsstätte der spanischen Juden 
daß die Juden seidene Gewänder trügen; die Lissaboner Ständever 
sammlung erachtete es als unziemend, daß die Juden an Sonntagen 
auf Mauleseln ritten und hierbei die Dienste christlicher Treiber in 
Anspruch nähmen (i455); die Cortes von Coimbra faßten den Be 
schluß, daß den Juden die Pacht kirchlicher Ländereien entzogen, 
daß ihnen kein Land zur Errichtung von Synagogen verkauft wer 
den dürfe und daß das rabbinische Gericht für die Schlichtung von 
Vermögensstreitigkeiten zwischen Juden und Christen, auch wenn ein 
Christ selbst das jüdische Gericht anrufen sollte, als unzuständig gel 
ten sollte (i473). Alfons V. trug indessen diesen von ständischem 
und religiösem Haß inspirierten Entscheidungen nur wenig Rech 
nung. Die allgemeinen Staatsinteressen gingen ihm über die Sonder 
bestrebungen der einzelnen Stände und er zog daher begabte Männer 
aus den gebildeten jüdischen Kreisen gern zum Staatsdienst heran. 
Besonders nahe stand dem Hofe die angesehene Familie Ibn Jach ja, 
deren Mitglieder sich noch Jahrhunderte hindurch auf verschiede 
nen Gebieten rühmlichst hervortaten. Mit einem Vertreter dieses Hau 
ses, dem „weisen Juden“ Joseph ibn Jachja, pflegte sich Alfons oft 
über religiöse und wissenschaftliche Fragen zu unterhalten. Bei einer 
dieser Unterredungen soll der König dem Joseph vorgeworfen haben, 
daß er seine Glaubensgenossen nicht vom Hang zur Bereicherung und 
insbesondere von der Prunksucht abzubringen versuche, die die Miß 
gunst der Christen erwecke und sie glauben mache, daß die Juden 
von leicht gewonnener „Beute“ lebten. „Übrigens — fügte der König 
hinzu — weiß ich wohl, daß ich von dir nichts zu erwarten habe, 
denn nur das Grab oder eine neue Hetze vermag euch eines bessern 
zu belehren; erst dann werdet ihr wohl über eure Taten Reue emp 
finden“. Dieser von einem zeitgenössischen jüdischen Chronisten fest 
gehaltene Vorwurf 1 ) kennzeichnet treffend die unter den wohlhaben 
den Klassen herrschenden Laster, die auch von den jüdischen Schrift 
stellern dieser Epoche häufig gegeißelt werden. 
Eine einflußreiche Stellung am Hofe Alfons’ V. nahm auch einer 
der hervorragendsten Repräsentanten des sephardischen Judentums, 
Don Isaak Abravanel (i43 7 —i5o8) ein, dessen Name mit den ver 
hängnisvollen Ereignissen jener Zeit aufs engste verflochten ist. Die 
1 ) „Schebet Jehuda“, Nr. 65, wenn man nämlich annehmen will, daß der 
in dieser Chronik wiedergegebene Bericht tatsächlich den Notizen des Jehnda ibn 
Verga entnommen ist.
	        
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