Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

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Der Zusammenbruch des jüdischen Zentrums in Spanien 
tikern, den Statthalter von seinem Vorhaben abzubringen. Der Ver 
trag kam nicht zustande, und so war es den Marranen nicht vergönnt, 
auf Gibraltar ein autonomes Asyl zu begründen. 
§ 53. Portugal als Zufluchtsstätte der spanischen Juden 
Die Kolonie des jüdischen Spanien, Portugal, war hinter ihrer 
Metropole um ein ganzes Jahrhundert zurückgeblieben. Obwohl gute 
Katholiken und leidenschaftliche Glaubensschwärmer, hatten sich 
indessen die Portugiesen die neuesten Kunstgriffe des spanischen Kle 
rikalismus noch nicht zu eigen gemacht: „Helden“ vom Schlage eines 
Martinez oder Ferrer waren auf portugiesischem Boden noch nicht 
erstanden. Es blieb hier nach wie vor jene Toleranzpolitik den Juden 
gegenüber in Kraft, die vor der Krise des Jahres i3gi auch in Spa 
nien vorherrschend gewesen war. Das Wohnrecht der jüdischen Be 
völkerung war hier zwar auf die abgeschlossenen „Judarias“ be 
schränkt, doch wurde sie in ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit in keiner 
Weise behindert, und viele reiche Juden standen als königliche Fi 
nanzagenten oder Steuerpächter sogar dem Hofe nahe, was ihnen 
nicht selten zu politischem Einfluß verhalf. So konnte denn Portu 
gal den in Spanien verfolgten Juden und Marranen eine sichere Zu 
fluchtstätte bieten. 
Im Schreckensjahr i3gi ließen sich hier, wie erwähnt, viele 
Flüchtlinge aus Kastilien nieder, wobei die dort gewaltsam Getauften 
sich in Portugal von neuem zu ihrer angestammten Religion beken 
nen durften. Wohl stand auf den Abfall vom katholischen Glau 
ben nach portugiesischem Gesetz eine schwere Strafe, doch verstand 
es der Großrabbiner von Portugal Moses Navarro (oben, § 36), der 
zugleich als Leibarzt des Königs Juan I. wirkte, das Unheil abzu 
wenden. Er legte nämlich dem König zwei päpstliche Bullen vor, wo 
nach die gewaltsame Taufe der Juden untersagt war. Auf Grund die 
ser Bullen erließ der König ein Dekret, demzufolge die kastilischen 
Flüchtlinge an ihrer Religion ungehindert festhalten durften (1392). 
Zwanzig Jahre später untersagte Juan I. der „Judengeißel“ Vicente 
Ferrer, der auch die Portugiesen durch seine zündenden Predigten 
aufzuwühlen gedachte, die Einreise in das von ihm regierte Land. Als 
indessen der Missionsterror neue Scharen von „Anussim“ nach Por 
tugal trieb, die sich hier von der ihnen aufgezwungenen Religion in
	        
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