Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

§ 1U. Die Maimonisten und ihre Gegner 
entwickelte Abulafia in seinem Schreiben nur die schon oben ange 
führte Kennzeichnung der Lehre des Maimonides als einer, die die 
„Wurzeln des Glaubens zwar kräftige, dessen Zweige aber abhaue“. 
Zuletzt sprach er die Zuversicht aus, daß der Aufruf der Freidenker 
aus Saragossa in Kastilien ohne Widerhall verklingen und daß seine 
bedeutendste Gemeinde, die von Toledo, der Protestkundgebung der 
fünf aragonischen Gemeinden nicht beitreten werde. 
Und in der Tat erwies sich die Gemeinde von Toledo als ein Hort 
strengster Rechtgläubigkeit. Ihr Haupt, der „Nassi“ Jehuda Alfachar, 
hüllte sich allerdings nach dem Bekanntwerden der Protestäußerungen 
der provenzalischen und aragonischen Maimonisten zunächst in 
Schweigen. Dadurch irregeführt, hoffte nun der hochbetagte Gram 
matiker David Kimchi (Band IV, § 47) diesen einflußreichen Mann 
und durch seine Vermittlung auch die Vertreter der übrigen kastili- 
schen Gemeinden auf die Seite der Maimonisten zu ziehen und begab 
sich zu diesem Zwecke aus Narbonne nach Toledo. Unterwegs, in 
Avila, wurde er indessen von einer Krankheit befallen und mußte sich 
daher mit einem Schreiben an Alfachar begnügen, in dem er diesen 
darum anging, bei der Bekämpfung der Obskuranten seinen ganzen 
Einfluß aufzubieten. Hierauf kam es zu einem schriftlichen Meinungs 
austausch, aus dem Kimchi erkannte, daß er es mit einem entschiede 
nen Gegner zu tun hatte. Der „Nassi“ von Toledo hatte nämlich 
Kimchi selbst wegen Ketzerei in Verdacht, da ihm dessen freie Den- 
kungsweise, die ihn bereits mit den französischen Rabbinern entzweit 
hatte, nicht unbekannt geblieben war. So legte er sich denn in seiner 
Antwort an den narbonnensischen Gelehrten keine Zurückhaltung auf. 
In seinem Schreiben tadelte er vor allem den Versuch des Maimoni 
des, das Unvereinbare, den Judaismus und die griechische Philosophie, 
zusammenkoppeln zu wollen; denn die Thora und die „griechische 
Weisheit“ mit der in ihr vorherrschenden „Sophistik“ bildeten, meinte 
er, einen unüberbrückbaren Gegensatz. Wie sollten sie auch gleich 
zwei Schwestern nebeneinander leben, da sie doch wie die zwei Wei 
ber des Salomonischen Gerichtes um den Besitz des „lebendigen Kin 
des“, der Wahrheit, ständig miteinander hadern müßten. Der „Führer 
der Irrenden“ führe in Wirklichkeit nur selbst in die Irre, da er z. B. 
behaupte, daß das Stillstehen der Sonne in Gibeon oder die Rede der 
Eselin Bileams nichts weiter als poetische Sagen wären; auf diese 
Weise könne man sich aber bis zur Leugnung aller biblischen Wunder 
in
	        
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