Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

Die geistigen Strömungen im XIII. Jahrhundert 
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wandten Wissenschaften, die „weder aus der Thora noch aus der Ge- 
mara gelernt werden können“, Bescheid zu wissen. Darauf schlossen 
sich vier aragonische Gemeinden (Huesca, Monzon, Calatayud und 
Lerida) der Gemeinde von Saragossa an und bekräftigten den Bann 
fluch gegen die „drei Sünder von Israel“, Salomo aus Montpellier und 
Genossen; zugleich priesen sie in ihren Flugschriften alle diejenigen, 
die „Gott und seinem Diener Moses (Maimonides) sowie dem von Mo 
ses den Kindern Israel vor gelegten göttlichen Gesetz im Glauben zu 
getan sind“ und stellten so den neuen Moses dem biblischen als eben 
bürtig zur Seite. 
Indessen gab es auch im aufgeklärten Spanien Rabbiner, die mehr 
mit der antiphilosophischen Richtung sympathisierten. Der später un 
ter dem Namen Ramban berühmt gewordene Rabbiner von Gerona, 
der Held der Disputation von Barcelona (oben, § 12), nahm zunächst 
zwischen den kämpfenden Parteien eine neutrale Stellung ein. Er 
wandte sich an die Gemeinden von Kastilien, Navarra und Aragonien 
mit der Ermahnung, Salomo aus Montpellier und dessen Mitstreiter 
nicht eher zu verdammen, bis sie deren Erklärungen angehört haben 
würden, um so mehr als auch die rabbinischen Autoritäten Nordfrank 
reichs sich mit den Verfemten bereits solidarisch erklärt hätten. Mit 
größerer Entschiedenheit trat der alte Gegner des Maimonides Meir 
Ahulafia (oder Abu-Alafiah) aus Toledo auf die Seite der Feinde der 
Gedankenfreiheit. Dieser Talmudgelehrte war noch bei Lebzeiten des 
Maimonides mit einem „Sendschreiben an die Weisen von Lunel“ her 
vorgetreten, in dem er seiner Entrüstung darüber Ausdruck gab, daß 
der Verfasser der „Mischne-Thora“ das Auferstehungsdogma mit 
Schweigen übergangen hätte. Aus diesem Anlaß bedachte ihn ein Ver 
ehrer des Maimonides mit dem folgenden spitzen Epigramm: „Kann 
denn Leuchte (Meir) sich nennen, wer in der Finsternis irret?“ In Ge 
meinschaft mit den neuen Bekämpfern des Rationalismus erhob jetzt 
dieser überzeugte Obskurant wieder einmal seine Stimme. In einem 
Schreiben an Ramban erklärte Abulafia, daß er die Handlungsweise 
des Salomo aus Montpellier und seiner Gesinnungsgenossen durchaus 
billige, weil sie ja nur diejenigen aus der Gemeinschaft der Gläubigen 
ausgeschlossen hätten, die „im Wahne, Gott sei nur die innere Kon 
templation und die Erkenntnis des Schöpfers sowie der weisen Welt 
ordnung wohlgefällig, im Begriffe seien, das Joch der Gesetze abzu 
streifen und sich der Fesseln (der Riten) zu entledigen“. Im übrigen
	        
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