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Die Operation des Oberbefehlshabers Ost gegen Wilna.
11. September, die 37. Infanterie-Division unter Generalleutnant Freiherr von Hollen die
Hauptlast des Kampfes zu tragen hatte. Da auch vor dem rechten Flügel der
10. Armee noch kein Nachlassen des russischen Widerstandes zu merken war,
versprach sich der Oberbefehlshaber Ost von rücksichtslosem Durchstoß des
linken Flügels dieser Armee in südöstlicher Richtung großen Erfolg. In
dem Bestreben, die begonnene Operation zu einer wirklich entscheidenden
auszugestalten, wandte er sich an die Oberste Heeresleitung und bat für zehn
bis vierzehn Tage um das X. Armeekorps, das, aus Südpolen kommend,
zur Abbeförderung nach dem Westen gerade bei Bialystok transportbereit
stand. Als Ersatz bot er ein bis zwei Divisionen der 12. Armee an, die in
vier Tagen bei Bialystok eintreffen könnten. Als dann am Abend des Tages
die 12. Armee meldete, daß es ihr gelungen sei, auf dem Ostufer der
Zelwianka festen Fuß zu fassen, und aus Fliegermeldungen und russischen
Funksprüchen zu ersehen war, daß der Gegner vor der 8. Armee den
Rückzug jetzt doch fortsetzen wolle, sah der Oberbefehlshaber Ost darin die
Auswirkung der Amfaffungsbewegung der 10. Armee und wiederholte
dringend seine Bitte an die Oberste Heeresleitung mit der Begründung:
„Ich verspreche mir einen großen Erfolg davon, den Gegner in das Sumpf-
und Seengelände östlich Wilna zu werfen. Will der Russe seine Armee
retten, so muß er versuchen, von Dünaburg her dem linken Flügel der
10. Armee in Flanke und Rücken zu stoßen. Gegen diese Gefahr brauche
ich eine tiefe Staffelung dieses Flügels, die durch das zeitlich richtige Ein¬
treffen des X. Armeekorps bei Kowno ganz natürlich erreicht würde."
12. September. Der Chef des General st abes des Feldheeres sah sich
indessen außerstande, diesem Antrage zu entsprechen, da die Gefahr
eines neuen großen Durchbruchsversuchs der Feinde an der Westfront be¬
denklich gewachsen war1). Cr betonte, daß sich die Oberste Heeresleitung
den angeführten Gründen nicht verschließe. Indessen würde die allgemeine
Lage durch die erbetene Maßregel so ungünstig beeinflußt werden, daß
Seine Majestät sich zu ihr nicht habe entschließen können. Auch würde
das Korps, da es nur mit 12 bis 14 Zügen täglich von Bialystok abbefördert
werden könne, geschloffen nicht vor Ende des Monats in der Gegend süd¬
westlich von Dünaburg bereit sein und nicht vor Mitte Oktober wieder
verfügbar werden. Solange würden aber „die Operationen hier im Osten
mit den bisher dafür verwendeten Kräften2) leider überhaupt nicht fort¬
geführt werden dürfen". Anabhängig von diesem Telegrammwechsel wurde
für den 16. September der Besuch des Obersten Kriegsherrn bei der
10. Armee in Kowno angekündigt.
i) Näheres vgl. Band IX. — -) S. 492.