Volltext: Flandern 1917 [27] (Band 27/1928)

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Aussichtslos scheint der Kampf gegen Granaten, Bomben, Ma- 
schinengewehre, Ratten, Schmeißfliegen, Verwesung, Hitze und Regen, 
der diesen Wald zu einem tobenden Leichenhaus gemacht hat. Man 
muß sich darauf beschränken, in dem geringen Umkreis, den jede 
Batterie, jedes Widerstandsnest, jede Befehlsstelle benötigt, ein wenig 
Bewegungsfreiheit zu bewahren und im übrigen danach trachten, die 
Verbindungen nach vorn, untereinander und nach rückwärts zu er- 
halten. 
Alles andere ist verloren, der Verwesung überliefert, dem Sumpf, 
den Ratten, den Schmeißfliegen. 
Nein, es ist nicht mehr schön in diesem verwandelten Wald, in dem 
es keine grünen Blätter und keine Vögel mehr gibt. 
* 
Es gibt Menschen, die seit sechs Wochen schon in diesem Wald 
hausen, und die sich noch erinnern können, wie es hier und da grünte 
und wie ab und zu noch ein Vogel sang. Im Grunde genommen ist das 
noch garnicht so lange her, denn erst Mitte Juli begann ja das große 
Sterben und die furchtbare Verwandlung. 
Und doch scheint diese Zeit Jahre zurückzuliegen. Ja, manchmal 
könnte man glauben, nur davon geträumt zu haben, wie man bis- 
weilen von einem weißüberzogenen Bett, einem sauber gedeckten Tisch 
und ähnlichen Sachen träumt, die als achtloser Zubehör in einem 
anderen Leben waren. 
In jeder Nacht kommen die Munitionswagen aus den Depots oft- 
wärts des Waldes, um neue Granaten zu bringen. Man freut sich auf 
sie, wenn man auch aus dem Schlaf geholt wird, denn man hofft, ein 
wenig von dem zu hören, was außerhalb dieses verwunschenen Waldes 
ist. Aber die Munitionsfahrer sind selten zum Reden aufgelegt. Sie 
laden ihren Bestand ab und sorgen, daß sie davonkommen. Es ist kein 
Wald zum Geschichtenerzählen. Und was sollen sie auch berichten? 
Fliegerangriffe, schweres Flachfeuer, explodierte Munitionsdepots, ge- 
fallene Pferds . . . gefallene Pferde, explodierte Munitionsdepots, 
schweres Flachfeuer, Fliegerangriffe. Lohnt denn das eine Unter- 
Haltung? 
Nach einer halben Stunde find sie verschwunden, man hört noch den 
Peitschenschlag, mit dem sie ihre Gäule antreiben, und das Poltern der 
letzten Fahrzeuge auf dem Knüppeldamm. 
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