Volltext: Flandern 1917 [27] (Band 27/1928)

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für romantische Waldpoesie niemals übertrieben geschwärmt haben, ist 
es zu stark geworden. 
Nein, Vögel gibt es nicht mehr, dafür aber Schmeißfliegen. 
Millionen von Schmeißfliegen. 
Tagsüber kocht die Sommerhitze, nachts fällt der Regen. Es dauert 
nicht einen halben Tag, bis die Leichen der Gefallenen jenen entsetzlichen 
Geruch auszuströmen beginnen, der dem ekelhaften Volk der Schmeiß- 
fliegen eine Wonne bedeutet. Das schwere Artilleriefeuer, das jederzeit 
auf dem zerfetzten Wald liegt, und die Schnelligkeit, mit der sich die 
Verwesung allen toten Fleisches bemächtigt, verhindern die Bergung 
der Leichen. 
Am schlimmsten aber ist es mit den Kadavern der Pferde. Ganze 
Kolonnen fallen nächtlich den Einschlägen der englischen Flachbahn- 
granaten zum Opfer. Es gibt ja kein Ausweichen vor dem Geschoßhagel 
für diese armen Tiere, die an die schmalen Knüppeldämme der Fahr- 
wege und an die schweren Munitionswagen gebunden sind. Sie fallen, 
wie sie stehen, und geben nicht einmal einen Laut von sich. 
Nachher schneidet man sie aus den Strängen und schiebt ihre zer- 
fetzten Leiber seitwärts vom Knüppeldamm in die Trichter. Dort liegen 
sie bis zum Sonnenaufgang. Beim ersten Sonnenstrahl glitzern die 
schillernden Flügel von hundert fetten Schmeißfliegen um sie herum, 
indes die Ratten schon in ihren Gedärmen wühlen. 
Schweigt für eine Minute das Artilleriefeuer im Wald, so ver¬ 
nimmt man das leise Surren dieser fliegenden bunten Hyänen allüber- 
all. Und wo ihrer ein Haufe durcheinanderschwirrt, dort kann man sicher 
sein, einen Erschlagenen oder einen Pferdekadaver unter dem Gewirr 
von Stacheldraht, schwarzen Aststücken, Schlamm und Wurzeln zu finden. 
Furchtbar sind die Qualen der Verwundeten, die man vor diesem 
Ungeziefer nicht retten kann. Sie tragen in ihre offenen Wunden das 
Gift, das sie von den verwesten Leichen herbeischleppen. Seuchen und 
eiterige Entzündungen breiten sich aus. Nicht einmal das Essen ist vor 
ihnen zu bewahren. Es ist unmöglich, am Tage im Freien zu schlafen. 
Angestachelt durch die Verwesung, die diesen armen Wald durchzieht 
wie der Hauch einer Leichenhalle, fällt das schillernde Schmeißfliegen- 
volk auch über die Lebendigen her. 
Man versucht, alles verweste Fleisch im Walde mit Kalk zu be- 
streuen. Es nützt nichts, die nächste Regennacht führt den alten Zustand 
wieder herbei. Und man müßte an jedem Tag ganze Waggonladungen 
Kalk heranschleppen, um Wirksames zu erreichen.
	        
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