Volltext: Oö. landwirtschaftlicher Kalender 1876 (1876)

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bevölkerten Europa's, so darf man doch viele andere Eigenschaften als einfluß 
reich durchaus nicht mißachten. Hieher gehört in erster Richtung die außer 
ordentliche Fruchtbarkeit, durch welche das geringe Anlagscapital sich sehr- 
schnell steigern läßt. Auch ist die Art der Ernährung und Haltung eine so 
einfache, wenig Zeit und Raum beanspruchende, daß wohl das Schwein in 
vieler Beziehung selbst das Rind an localer Nutzbarkeit übertrifft. 
Besondere Bedeutung gewinnt diese Thierhaltung für den kleinen Mann, 
indem es gleichsam von seinem Tische speist. — Bei Mensch und Schwein 
trifft die Bezeichnung, alles essend, vollkommen zu, beide sind befähigt, aus 
Thier- und Pflanzenreich zu verzehren, was überhaupt nicht absolut unverdau- 
bar ist. So wandert das Haupterzeugniß der kleinen Leute, die Kartoffel, 
in beide Futtertröge und auch der anderweitige Zusatz ist nur der Quantität 
und Auswahl nach verschieden von der menschlichen Ernährung, in seiner 
Nährwirkung und chemischen Zusammensetzung aber ziemlich identisch, oder 
sollte es wenigstens sein. Keine großen Gebäude-Herstellungen, keine Futter 
magazine bedarf der Schweinmäster, ein kleiner hölzerner Stall, den er sich 
zur Noth selbst zusammenzimmert, ein Paar Hafen am Herd, ein Paar- 
Säcke in der Speise, bilden das ganze Instrument zur Erzeugung einer der 
wichtigsten Ernährungsmittel vieler Tausende. — Die Franzosen wünschen 
sich für ihre Armen ein Hühnchen in ihren Topf, wir wünschen uns für 
unsern Tag- und Handwerker, Weber oder Keuschler, und wie sie alle heißen 
mögen, einen fetten Bakonier im Maststall, dann ist wohl das Schwerste für 
sie überwunden. 
Es unterliegt daher keinem Zweifel, daß das Schwein für den land- 
wirthschaftlichen Betrieb von höchster Wichtigkeit ist und zweckmäßig in keiner 
Wirthschaft fehlen darf. In gewissen Fällen kann es aber auch zum Haupt 
viehstand werden, wo massenhafte Eichelmast vorhanden oder ein technisches 
Unternehmen zur Schweinmast geeignete Abfälle liefert. — Doch dem ent 
schiedenen und so sehr berechtigten Fortschritt der Schweinhaltung, hat die 
Entdeckung der Trichinen plötzlich Halt geboten, ja dieselbe sogar unter den 
früheren Stand zurückgesetzt. Es war vielleicht nicht so sehr die Gefahr der 
Ansteckung, die so allgemein vom Genuß des Schweinfleisches abhielt, da man 
sich ja leicht durch das Garkochen vor Ansteckung sichert, als vielmehr der 
Gedanke an das dunkle Etwas, welches man anstatt Fleisch zu verschlingen 
haben werde. Auch auf die Finne, das allbekannte Endozoen des Schweines, 
wurde man bei dieser Gelegenheit wieder aufmerksam und die Gefahr, sich 
den Bandwurm zuzuziehen. 
Was Wunder, daß durch mehrere Jahre das Schweinefleisch, trotz 
seiner reichlichen Nährkraft, da es bei gleichem Gewicht weniger Knochen 
enthält, als das Fleisch der Wiederkäuer, im Preise sogar unter das Rind 
fleisch sank. Doch allmälig beginnt wieder die reelle Würdigung des Wohl 
geschmackes und der leichten Verdaulichkeit Platz zu greifen, und wenn es 
auch verhältnißmäßig noch nicht die alten Preise erreicht hat und auch lange 
nicht erreichen wird, so ist doch die Schweinezucht und Mast im Großen und 
Kleinen allgemein wieder erträglich geworden, bei uns zu Lande das Schweine 
fleisch wieder die gesuchteste Fleischsorte und verdient daher die reelle Beach 
tung jedes strebsamen Landwirthes.
	        
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