Volltext: Der Sammler 6. Jahrg. 1910 (1910)

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ziehung gewinnen, was in seiner Folge jedenfalls 
dem Museum wieder zu Gute kommen würde. 
Wenn wir nun erst die einzelnen Gegen 
stände anführen, die seit langer Zeit ihrer Wieder 
herstellung harren, um auch in die Reihe der be 
achtenswerten Gegenstände einzurücken, Waffen, 
Säbel, Flinten und Pistolen wohl an 50 Stück, 
Ofen aus der Biedermeierzeit und früher — 
Kostümstücke, die mangels eines Kastens nicht 
untergebracht werden können, Maschinen und Ge- 
rätjchaften, — so kann leicht eingesehen werden, 
daß der Entwicklung des Museums ein arger 
Hemmschuh dadurch erwachsen ist, daß selbes in 
diesem Jahre stiefmütterlicher behandelt wurde, 
als früher. 
Vorderhand sind all diese schönen und gewiß 
fördernswerten Gedanken unerfüllbare Wünsche, 
womit wir uns zu bescheiden haben. 
Die volkskundliche Sammlung des Bezirkes 
Schärding. 
(Fortsetzung.) 
Wir kommen nun zu den sogenannten 
Kchutzblatter« 
unter welchen die Längen Christi und Mariens 
den ersten Platz einnehmen. Das Museum ist 
im Besitze von 2 derartigen Leibeslängen, das 
heißt von je einem Paare aus verschiedener Zeit. 
Frau Professor Andre-Eysn gibt uns in ihrem 
prächtigen Werke „Volkskundliches aus dem bayer 
ischen und österreichischen Alpengebiete" so wissens 
werte und interessante Schilderungen, daß wir 
selbe folgen lassen, von der Annahme ausgehend, 
daß dadurch unsere Raritäten im Stadtmuseum 
eine richtigere Beurteilung und Wertschätzung er 
fahren. 
Das eine Paar der hl. Leibeslängen, die das 
Museum besitzt, ist aus der Familie W i s h o f e r, 
deren Familienreliquien ja bekanntlich einen reichen 
Schatz für die volkskundliche Sammlung bilden, 
Auch das zweite Paar ist aus Schärding und hat 
sich durch die freundliche Schenkung der ver 
ewigten Frau M e r s ch k o s ch auch die Bemerk 
ung der Frau Professor Andre-Eysn bestätigt, die 
schreibt, daß die HI. Leibeslängen einen wertvollen 
Bestand insbesondere der Wehmutter bildeten. 
Die abergläubische Verehrung der Leibes 
länden ging soweit, daß sich die Kirche wiederholt 
veranlaßt sah, einzuschreiten. 
Trotzdem finden wir dieselben besonders im 18. 
Jahrhundert weit verbreitet, so in Tirol, Steiermark, 
Niederösterreich, Oberösterrich und Bayern. Die 
bedruckten Papierstreifen sind 7 bis 8 - Zentimeter 
breit, 142 bis 175 Zentimeter lang. Dabei sei 
eingeschaltet, daß bei einem Paar der im Schär- 
dinger Museum aufbewahrten Leibeslängen jene 
der hl. Maria länger ist als jene Christi. 
Der Text enthält Gebete und Schutzformeln. 
Auf diesen Papierstreifen heißt es: „Hl. Länge 
Christi bewahre mich vor allem Unglück, vor Ge 
fängnis, schädlichen Winden, Lästerungen, Feuer 
und Wasser, Straßenräubern, vor Vergiftung und 
Vergebungen, vor Zauber und Zauberinnen, vor 
Hagl, Schauer und Donnerwetter, beschirme mich 
und meinen Feldbau, mein Getreide, meine Wiesen 
und Gärten und auch alle meine Früchte, wie auch 
mein Vieh und gib allen Frauen in Nöten eine 
fröhliche Geburt. Gerade bei letzteren findet die 
Leibeslänge Mariens eine allgemeine Anwendung, 
und eine Frau, die eine selbst bei sich trägt, 
schenkt ohne Schmerzen dem Kinde das Leben. 
Zu den Schutzblättern zählt auch der Freis- 
brief, dem sich dann die verschiedenen freisbekämpf- 
enden Schutzgegenstände anschließen. 
Der gut erhaltene Freisbrief, in dessen Besitz 
das Stadtmuseum durch die Schenkung des Fräu 
lein Mathilde Bayer gelangte, fand eine Repro 
duktion im oben genannten Werke, und nimmt 
dieselbe eine volle Seite ein. Die Wiederholung 
des Textes nähme zuviel Platz in Anspruch und 
wollen wir uns damit begnügen, anzuführen, daß 
dieser Freisbrief für alle 77 Arten von Freisen 
wirksam war. 
Die Wirksamkeit war aber nur dann zu er 
reichen, wenn am Schluffe des Gebetes 3mal laut 
der Name des Kranken gerufen wurde und diesem 
der Freisbrief auf die Brust gelegt wurde, „bis 
sichs ändern thut zum Leben oder Sterben". 
Unter den zahlreichen Gegenständen des 
Stadtmuseums, die sich auf die Abwehr der Frei 
senkrankheit beziehen, sind auch eine Krone und 
zwei Handmanschetten aus weißer Seide, auf 
Drahtgeflecht adjustiert, zu sehen. Dieselben stam 
men aus der Familie W i s h o f e r. Wir haben 
dieselben als Freisenkrone bezeichnet, unter welcher 
Bezeichnung dieselbe dem Museum übergeben 
wurde. Diese ausdrückliche Benennung bestärkt 
uns bei der Vermutung zu verbleiben, daß es sich 
im gegebenen Falle tatsächlich um eine Freisen 
krone und nicht wie von fachautoritativer Weise be 
hauptet wird, um eine Sterbekrone handelt, in 
welch ersterer Annahme uns auch noch die Er 
wägung bestärkt, daß es hier stets üblich war, 
jeden Schmuck, der dem Verstorbenen angelegt 
wurde, mit in das Grab zu legen. Es ist nicht 
gut anzunehmen, daß solcher Kopf- und Hand 
schmuck nach der Beerdigung aufbewahrt wurde, 
um bei einem vielleicht wieder eintretenden Kindes 
lodessall die früheren Gegenstände neuerlich zu 
verwenden. Sollte die Annahme sich rechtfertigen, 
daß man das kranke Kind mit den Attributen des in 
solchen Fällen um Hilfe angerufenen Loretto Christus 
kinde ähnlich zu machen, so wäre damit eine ganz 
eigenartige Anwendung von Freisen-Sympathie 
mitteln festgestellt. 
Fortsetzung folgt.
	        
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