Volltext: Schopenhauers Leben, Werke und Lehre [9. Band, zweite neu bearbeitete und vermehrte Auflage] (9,2 / 1898)

Die Lehre von der menschlichen Glückseligkeit. 247 
Die Eintheilung der Güter beruht auf unserem Sein und Haben, 
und hier sind wiederum drei Grundbestimmungen zu unterscheiden: diese 
betreffen erstens, was wir sind oder was jeder an sich selbst hat, 
zweitens was wir von äußeren Gütern haben oder was wir besitzen, 
drittens, was wir an der Meinung haben, welche andere von uns 
hegen, d. h. was wir in der Meinung anderer sind oder was wir vor 
stellen. Es handelt sich also in erster Linie um das Gut und den 
Werth der eigenen Persönlichkeit, in zweiter um die sachlichen, in 
dritter um die eingebildeten Güter. Die beiden ersten Arten der Güter 
sind real, die letzte ist imaginär. 
Demnach zerfallen unsere „Aphorismen zur Lebensweisheit" in 
sechs Abschnitte: der erste handelt von der „Grundeintheilung", der 
zweite „von Dem, was Einer ist", der dritte „von Dem, was Einer 
hat", der vierte „von Dem, was Einer vorstellt", der fünfte von den 
„Paränesen und Maximen" (Rathschlägen und Regeln), der sechste 
„vom Unterschiede der Lebensalter".* 
2. Die Persönlichkeit. 
Die persönlichen Lebensgüter, zugleich die werthvollsten und die 
genußreichsten, lassen sich mit dem Worte Juvenals in die Formel 
fassen: «mens sann in corpore sano». Zu der Gesundheit und 
Sinnesheiterkeit, zu den Anlagen und deren Ausbildung (d. h. mens 
sana in corpore sano) kommt der moralische Charakter, d. i. die 
Willens- und Gesinnungsart in ihrer angeborenen unvertilgbaren Be 
schaffenheit. 
Da der heitere Sinn oder das glückliche Temperament (rÜRvXl«) 
die Blüthe der Gesundheit ist, und diese zu jenem sich verhält als 
dessen Grundbedingung und Wurzel, so gilt die Gesundheit als das 
erste und oberste aller Güter. Freilich ist sie nicht genug, um das 
Leben genußreich und glücklich zu gestalten. Wenn wir innerlich leer 
sind, so ist unser Dasein öde, langweilig und dadurch qualvoll; die 
innere Erfüllung aber besteht in der Entwicklung und Ausbildung 
der Geistesanlagen, in der geistigen Arbeit und dem Gedeihen ihrer 
Früchte. Dazu dient als das Element, worin die Geistessrüchte ent 
stehen und reifen, die volle, unangefochtene, durch keinerlei Sorgen 
bedrohte Muße. 
1 Aphorismen: Einleitung und Capitel I. S. 331—340. II. S. 341—364. 
III. S. 365-372. IV. S. 378-429. V. S. 430-507. VI. S. 508-530.
	        
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