Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1901 (1901)

Das war ein Suchen, ein Klagen, ein 
Fluchen! 
Wie eine leblose Gestalt stand Therese 
mit ihren Kindern am Landungsplätze. Die 
Matrosen schauten sie stumm an, was sollten 
sie auch trösten. In einem solchen Augen 
blick kann Trösten neuen Schmerz bringen, 
er käme denn von jemand, der uns besonders 
nahe und vertrauengebietend. Auch die Kinder 
waren so still, selbst Karl schaute nicht mehr 
den Matrosen zu. 
Eine Bekannte trat auf Therese zu. 
„Seid Ihr gerettet, erzählt mir von 
meinem Mann," stürzte Therese heraus. 
„Erzählt, erzählt." 
„Als Held ist er gestorben. Er ist nicht 
von seinem Posten gewichen. Bis zum letzten 
Augenblicke blieb er und versuchte alle Mittel. 
Der Sturm war furchtbar. Fast wären alle 
zugrunde gegangen. Wir sind noch gerettet 
worden durch ein Schiff, das uns aufnahm. 
Aber die meisten giengen mit dem Schiffe 
zugrunde. Auch der Priester, welcher allen 
noch die Lossprechung ertheilte. 
Euer Mann sendet euch noch einen 
Gruß. Als er sah, dass ich gerettet sei, rief 
er mit mächtiger Stimmme: „Grüßet mir 
Therese und die Kinder." Dann sank das 
Schiff. Mehr habe ich nicht mehr gesehen." 
Dann tröstete die Frau die Schwerheim 
gesuchte mit dem Worte: Wiedersehen. Und 
das ist der schwerste Schmerz der Lichtengel, 
den der Himmel sendet für alle, die gläubig 
um diesen Engel beten. 
Therese gieng heim. Wie gedankenlos 
reihte sie Schritt an Schritt, sie wusste nicht, 
dass sie gieng. Gedankenlos trat sie in das 
Heim, das nun aufgehört hatte, Heimat zu 
sein. Alles schien fremd zu sein, Stuhl und 
Tisch und Herd. 
Dann blieb sie stehen und schaute zum 
Meer hinaus, wo die Sonne untergieng. 
Wie eine Feuerkugel glänzte sie, das Meer 
ringsumher schien zu lodern und zu brennen. 
Therese vergass auf das Beten. Sie 
übergab sich nur dem Schmerze. Karl und 
Bertha standen neben ihr. Bertha weinte. 
Karl aber schaute stumm hinaus zum Meer, 
fast trotzig und empört über dieses Meer, 
das den Vater ihm genommen. Dabei ballte 
der Sechsjährige die kleine Faust, als ob 
er sich einmal räche« wolle an diesem 
Meer . . . 
Wenn der Mensch in seine« übermäßigen 
Schmerze den Himmel vergibst, dann kommt 
ihm gerne der liebe Gott m seiner Milde 
entgegen und erinnert ihn, wo er allem Trost 
finden könne. Gar oft sind es dann die 
Lippen eines unschuldigen Kindes, die den 
zagenden Menschen an den himmlischem Vater 
erinnern sollen, ohne dessen Wille kein Haar 
von unserem Haupte falle. 
„Mutter, beten wir", sagte Bertha. 
Die Kleine betete vor, auch im Schmerze 
ihre Ehrenpflicht. Sie beteten für den „liebem 
Vater" und das schmerzvolle Gebet stieg 
wohl auf zum Himmel und sank vom Himmel 
weit draußen auf das stille Meer als Bergiss- 
meinnichtkränzchen nieder, wo ein liebes 
Herz schlafen gegangen in den tiefem, ewig 
grünen Hügeln des Meeres. 
So beteten sie und es kam Trost in ihr 
Herz, als sie zum Himmel schauten i« Gebete. 
Draußen war die Sonne schon Unter 
gegangen und die Äbendröthe zog über km 
fernsten Horizont des Meeres sich hin. IM» 
.es war, als ob da draußen Schiffe zögen, 
so schnell huschten die Wolke» dahin. Da»» 
schienen die langen Streife» wieder wie «« 
Insel, so still und sonnig läge» sie im ... 
Und immer wieder schämte die Mutter, 
die Witwe, hinaus zu« Me«, dnM», »v 
die Abendwolken glüh'» . . . . . 
HL 
Drei Monate st»« tmlich, 'Ahevchc 
Hamburg. Was sollte sie auch tat »ch 
suchen, >vo das Mer immer Meder chr W- 
rauschte: „Er ist todt!'" Therese «wt ««S 
Tirol gebürtig, doilhi» »«Ne sie »»oderz«- 
rülkkehren, von Nv pe ihre« ähimw » feie 
Fremde gefolgt war. AMMche 'Ssitwwjptwü 
Verhältnisse pntMn Hr de» Miiitf öiei 
freundlichen Lanichamfes am $tim Ätzm 
S«. An einem See fällte chie künftige Henmal 
liegen, denn das Herz, das sich an das Mvr 
gewöhnt, konnte doch nicht leben ohne wese 
grüne Flut. Rur müsste diese Fkut still sei« 
und nicht immer rufen: „Er ist todt'" und 
das rvar der See: Er »vor still und fried 
voll und fein ruhiges Lächeln sprach »siel
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.