Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1897 (1897)

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Strahlen- 
meer. Hat 
er das 
große Los 
gewonnen? Welcher Einfall! Die Jugendbildner 
von anno dazumal hatten kein Geld zum Lotterie- 
setzen. Hat ihm der hochwürdigste Prälat von Sankt 
Florian ein Anerkennungsschreiben geschickt für 
seine engelhafte Geduld mit den ruppigen Buben und 
den schwatzmauligen Mädchen? Auch das nicht. Ein 
noch Größerer, der Herrgott selber hat ihm heute 
etwas zukommen lassen. Drinnen in der Schlafkammer 
liegt's, auf dem Bett seiner Rest. In sackgrobe Win 
deln ist's eingehüllt, man sieht aber nicht viel mehr 
davon als eine von weißen Fältchen umkränzte fleisch 
farbene Scheibe mit zwei kohlschwarzen unruhigen 
Punkten und einem kirschrothen Strich darunter und 
das soll den Stammhalter der Familie Bruckner vor 
stellen. Doch jetzt bekommt das Schulhaus von ihm 
auch etwas zu hören. Die Mutter sagt jubelnd: 
„Der Tonerl hat eine gesunde Brust" und der Vater 
prophezeit: „Aus dem wird einmal ein echter und 
rechter Musikant. Bemerkst Du's nicht, wie die Saiten 
auf dem Spinett mitklingen? Jetzt ist mir um meinen 
Namen nimmer bang, er wird nicht aussterben!" 
Ja, der Name Bruckner ist wirklich unsterblich 
geworden und nicht die eilf Geschwister, die ihm noch 
nach kamen, sondern der Tonerl allein hat das zu 
stande gebracht. 
Im Vaterhause fand es der Kleine kreuzfidel, es 
fehlte ja nie an Gesellschaft und Spinett und Fiedel 
jubelten ordentlich auf, wenn er ihnen mit seinen 
Fingerchen die verschiedensten Töne herauskitzeln wollte. 
Eines Tages aber ward es in der Wohnung ganz 
merkwürdig ruhig, ganz unheimlich still. Nach Kerzen 
roch es und Blumen und Leute kamen in Menge und 
sagten nichts, drückten nur das Taschentuch vor die 
Augen und tauchten ein Buchszweiglein in Weihwasser 
und sprengten nach einem Lager hin, um das zuckende 
Lichter standen. In der Stube nebenan aber saß ein 
Weib und konnte den Kuaben nicht trösten, der sein 
Köpfchen in ihren Schoß vergrub und den es schüttelte 
am ganzen Körper vor unsäglichem Weh und Jammer. 
Der zwölfjährige Toni hatte seinen Vater verloren. 
Das musikbegeisterte Stift St. Florian nahm 
sich des verwaisten Knaben liebreich an. Dort hat 
er sich das Leid vom Herzen buchstäblich fortgesungeu. 
Vier Jahre war er Sängerknabe und einer der 
fleißigsten, dann machte er den Präparandencurs in 
Linz durch, den er 1841 mit einer glücklichen Prüfung 
beschloss. Wenn der liebe Gott mit einer Menschen 
seele etwas Großes vor hat, lässt er sie vom Erden 
glück wenig oder gar nichts kosten, denn sonst ver 
liert sie die Flugkraft nach oben. 
Die Posten in Windhaag und Kronstorf bei Enns, 
wohin Bruckner als Unterlehrer anfangs geschickt 
wurde, waren keine fetten. Glücklicherweise treffen 
wir ihn schon 1845 als Lehrer und seit 1851 als 
ersten Stiftsorganisten wieder in St. Florian. Wie 
der Verkehr mit den leutseligen kunstsinnigen Chor 
herren auffrischend wirkte! 
Am 25. Jänner 1856 war er schon so weit, die 
Prüfung als Domorganist in einer Weise zu bestehen, 
welche die Commission nicht bloß erstaunte, sondern 
geradezu verblüffte. Durch die Gnade des hochseligen 
Bischofes Franz Josef Rudigier wurde es ihm dann 
möglich, in Wien vier Jahre hindurch bei dem Hof 
organisten Sechter die eingehendsten Studien zu machen. 
Nur ein Genie, wie das Bruckners konnte dem kriti 
schen Hofcapellmeister Herbeck, der nichts weniger als 
leicht zu befriedigen war, bei der Reifeprüfung am 
Conservatorium den bezeichnenden Ausruf entlocken: 
„Er hätte uns prüfen sollen!" 
Bis 1868, in welchem Jahre die Berufung als 
Professor an's Wiener Conservatorium erfolgte, ver- 
tveilte der gottbegnadete Meister in Linz. In diesen 
Zeitraum fällt die Composition nachstehender größerer 
Werke: Der Messe in I), der ersten Symphonie, die 
nebenbei ^gesagt infolge unzulänglicher Mittel in 
unserer Landeshauptstadt keinen Anklang fand, der 
unvergleichlich schönen Messe in F-molI und der in 
großen Stil gehaltenen in E-moIl. 
Als Domorganist machte er einst auch im Kreise 
froher Gesellen einen Ausflug nach Seidelufer. Der 
Tag war sonnigheiter und bald entwickelte sich im 
kühlenden Baumschatten ein Leben herzerquickender 
Munterkeit. Die Geister sprühten auf einander und 
nicht der zahmste von ihnen war unser Bruckner.
	        
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