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Zwei oberösterreichische Tondichter f.
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am
4. Sept.
1824
machte!
Es zer
floss
förmlich
in ein
Strahlen-
meer. Hat
er das
große Los
gewonnen? Welcher Einfall! Die Jugendbildner
von anno dazumal hatten kein Geld zum Lotterie-
setzen. Hat ihm der hochwürdigste Prälat von Sankt
Florian ein Anerkennungsschreiben geschickt für
seine engelhafte Geduld mit den ruppigen Buben und
den schwatzmauligen Mädchen? Auch das nicht. Ein
noch Größerer, der Herrgott selber hat ihm heute
etwas zukommen lassen. Drinnen in der Schlafkammer
liegt's, auf dem Bett seiner Rest. In sackgrobe Win
deln ist's eingehüllt, man sieht aber nicht viel mehr
davon als eine von weißen Fältchen umkränzte fleisch
farbene Scheibe mit zwei kohlschwarzen unruhigen
Punkten und einem kirschrothen Strich darunter und
das soll den Stammhalter der Familie Bruckner vor
stellen. Doch jetzt bekommt das Schulhaus von ihm
auch etwas zu hören. Die Mutter sagt jubelnd:
„Der Tonerl hat eine gesunde Brust" und der Vater
prophezeit: „Aus dem wird einmal ein echter und
rechter Musikant. Bemerkst Du's nicht, wie die Saiten
auf dem Spinett mitklingen? Jetzt ist mir um meinen
Namen nimmer bang, er wird nicht aussterben!"
Ja, der Name Bruckner ist wirklich unsterblich
geworden und nicht die eilf Geschwister, die ihm noch
nach kamen, sondern der Tonerl allein hat das zu
stande gebracht.
Im Vaterhause fand es der Kleine kreuzfidel, es
fehlte ja nie an Gesellschaft und Spinett und Fiedel
jubelten ordentlich auf, wenn er ihnen mit seinen
Fingerchen die verschiedensten Töne herauskitzeln wollte.
Eines Tages aber ward es in der Wohnung ganz
merkwürdig ruhig, ganz unheimlich still. Nach Kerzen
roch es und Blumen und Leute kamen in Menge und
sagten nichts, drückten nur das Taschentuch vor die
Augen und tauchten ein Buchszweiglein in Weihwasser
und sprengten nach einem Lager hin, um das zuckende
Lichter standen. In der Stube nebenan aber saß ein
Weib und konnte den Kuaben nicht trösten, der sein
Köpfchen in ihren Schoß vergrub und den es schüttelte
am ganzen Körper vor unsäglichem Weh und Jammer.
Der zwölfjährige Toni hatte seinen Vater verloren.
Das musikbegeisterte Stift St. Florian nahm
sich des verwaisten Knaben liebreich an. Dort hat
er sich das Leid vom Herzen buchstäblich fortgesungeu.
Vier Jahre war er Sängerknabe und einer der
fleißigsten, dann machte er den Präparandencurs in
Linz durch, den er 1841 mit einer glücklichen Prüfung
beschloss. Wenn der liebe Gott mit einer Menschen
seele etwas Großes vor hat, lässt er sie vom Erden
glück wenig oder gar nichts kosten, denn sonst ver
liert sie die Flugkraft nach oben.
Die Posten in Windhaag und Kronstorf bei Enns,
wohin Bruckner als Unterlehrer anfangs geschickt
wurde, waren keine fetten. Glücklicherweise treffen
wir ihn schon 1845 als Lehrer und seit 1851 als
ersten Stiftsorganisten wieder in St. Florian. Wie
der Verkehr mit den leutseligen kunstsinnigen Chor
herren auffrischend wirkte!
Am 25. Jänner 1856 war er schon so weit, die
Prüfung als Domorganist in einer Weise zu bestehen,
welche die Commission nicht bloß erstaunte, sondern
geradezu verblüffte. Durch die Gnade des hochseligen
Bischofes Franz Josef Rudigier wurde es ihm dann
möglich, in Wien vier Jahre hindurch bei dem Hof
organisten Sechter die eingehendsten Studien zu machen.
Nur ein Genie, wie das Bruckners konnte dem kriti
schen Hofcapellmeister Herbeck, der nichts weniger als
leicht zu befriedigen war, bei der Reifeprüfung am
Conservatorium den bezeichnenden Ausruf entlocken:
„Er hätte uns prüfen sollen!"
Bis 1868, in welchem Jahre die Berufung als
Professor an's Wiener Conservatorium erfolgte, ver-
tveilte der gottbegnadete Meister in Linz. In diesen
Zeitraum fällt die Composition nachstehender größerer
Werke: Der Messe in I), der ersten Symphonie, die
nebenbei ^gesagt infolge unzulänglicher Mittel in
unserer Landeshauptstadt keinen Anklang fand, der
unvergleichlich schönen Messe in F-molI und der in
großen Stil gehaltenen in E-moIl.
Als Domorganist machte er einst auch im Kreise
froher Gesellen einen Ausflug nach Seidelufer. Der
Tag war sonnigheiter und bald entwickelte sich im
kühlenden Baumschatten ein Leben herzerquickender
Munterkeit. Die Geister sprühten auf einander und
nicht der zahmste von ihnen war unser Bruckner.