Volltext: Die Sozialversicherung und die Christlichsoziale Partei

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Belgien hat Altersrentenkassen, ohne Zwang jedoch, 
und Zuschußprämien erhalten nur die Teilnehmer. Dieser 
freiwilligen Versicherung trat bis heute ein Neuntel der 
Bevölkerung bei. Dänemark hat wohl eine Altersunter 
stützung mit einem allgemeinen Charakter, indem nicht 
bloß der Arbeiterstand, sondern auch Gewerbetreibende und 
Bauern in Betracht kommen, doch kann nicht von einer 
Altersversicherung, sondern nur Altersversorgung gesprochen 
werden. Das Deutsche Reich, das auf dem Gebiete des Ver 
sicherungswesens, zu den ersten gehört, hat ein Invaliden 
versicherungsgesetz, das auch die Ausdehnung auf Selb 
ständige in beschränktem Maße gestattet. Die Altersrente 
wird erst mit dem 70. Jahre ausbezahlt, worin der Grund 
liegt, daß von den selbständig Erwerbenden nur ein ganz 
kleiner Teil der Versicherung beitrat. Frankreich hat auf 
diesem Gebiete verschiedene Einrichtungen, die teilweise 
auf freier Betätigung beruhen, während andererseits auch 
hier der Charakter der Unterstützung mehr als der der 
Versicherung zutage tritt. Die Invaliditätsrente ist im letzten 
Entwürfe der Deputiertenkammer eine reine Unterstützung, 
freilich tritt sie bereits mit dem 60. Lebensjahre in Wirk 
samkeit. Bei der Frage des Staatszuschusses erklärte die 
Regierung, daß ein bestimmtes Maximum, nämlich loo Mil 
lionen, jährlich festzusetzen sei, eine Ziffer, welche der 
Staat als unüberschreitbar ansehen müsse. In England wurde 
seinerzeit vielfach das Projekt Boolle besprochen, welches 
jedem Bürger von 65 Lebensjahren an eine wöchentliche 
Pension von 6 K sichert als reinen Staatsbeitrag. Die hohen 
Kosten ließen diesen Plan fallen und heute sichert das 
Alterspensionsgesetz jedem Mittellosen von 70 Lebensjahren 
an eine wöchentliche Pension von 6 K. 
Umfang der Versicherung. 
Gegenüber diesen anderen Staaten geht unsere Sozial 
versicherung viel weiter, betritt einen neuen Boden und. 
sucht das ganze Problem, das bisher nur teilweise und 
schüchtern erfaßt wurde, in den Bereich einer gesetzlichen 
Regelung zu ziehen. Während bisher meistens nur die Ar 
beiterversicherung in Frage stand und auch diese durchaus 
nicht die ganze Arbeiterschaft umfaßte, soll in Zukunft die 
Versicherung sich auf alle wirtschaftlich Schwachen er 
strecken. Damit wird ein Schritt getan, der diese große 
Frage unserer Zeit ganz zu lösen sucht. Während man bis 
her vielfach nur den Arbeiter für versicherupgs- und hilfs 
bedürftig hielt, wissen wir heute, daß neben diesem fast 
ebenso viele Existenzen sind, die in bezug auf die finanzielle 
Unterlage, in bezug auf Besitz von Mitteln, welche eine 
entsprechende Ausnützung unseres Kulturlebens ermög 
lichen, voneinander sich kaum unterscheiden. Das kapitali 
stische Wirtschaftssystem hat nach dieser Seite hin stark 
nivelliert und die Unterschiede zwischen den unselbständigen 
und selbständigen Arbeitenden sind heute vielfach nicht 
mehr wesentlich, sondern akzidentelle. Vom sozialpolitischen 
Standpunkte bleibt schließlich doch immer die Frage als 
letzte und wichtigste: Wie gestaltet sich das Leben des 
Bürgers, in welchem Maße genießt er das Kulturleben seiner 
Zeit, wie stark ist er der Not und dem Elend gegenüber, wie 
seine Existenz in Tagen der Krankheit, der Invalidität, des
	        
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