Volltext: Die Zweierschützen im Weltkrieg 1914 - 1918 5. Heft (5. Heft / 1956)

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Kampfgräben und Kavernen, an der Anlage neuer 
Drahthindernisse, am Einrichten von Maschinengewehr 
ständen und Beobachtnngsstationen sowie Herstellen von 
Verbindungen zu den Kommanden und Reserven. Auch 
bei den Italienern hörte man das Geräusch der Bohr 
maschinen und die Sprengschüsse krachen, Krampen und 
Schaufeln am harten Gestein klingen. 
Die 10. Jsonzoschlacht war geschlagen. 
Viel Blut auf beiden Seiten war vergossen worden. 
In unserem Abschnitt war dem Feind kein Erfolg be- 
schieden, aber südlicher, am Meere, war es ihm geglückt 
bis auf drei Kilometer an die Hermada heranzukommen, 
was für den ganzen südlichen Armeeflügel sehr gefähr 
lich geworden war. Darum entschloß sich das öster 
reichisch-ungarische Heereskommando zu einem Gegen 
angriff. Am 4. Juni gelang dieser der 28. und 35. In 
fanteriedivision. Aber die Gefahr bestand weiter und die 
Heeresleitung plante zur radikalen Entlastung der Süd 
front eine großangelegte Offensive am unteren Jsonzo. 
Die russische Entlastungsoffensive bei Zborow verhin 
derte zunächst die Ausführung und unsere Großoffensive 
konnte erst im Oktober starten. 
Die letzten Schlachttage kosteten unserem Regiment 
noch 16 Tote außer den gefallenen Offizieren Leutnant 
Brindlmayr und Fähnrich Bartelmus und 32 Verwun 
dete. Man gab auch damals schon auf Statistik etwas 
und so wissen wir, daß vom 21. bis zum 26. Mai auf 
unseren Frontabschnitt 2102 „Schwere" und 8640 
„Leichte" niederprasselten. Soviel Aufwand und so 
wenig Erfolg! Unschätzbar und von keiner Statistik und 
Zahl zu erfassen sind der Opfermut und Heroismus im 
Ertragen der unerhörten Strapazen durch die Zweier 
schützen während dieser Schlachttage, ganz gleich, ob die 
Schützen im vordersten Graben oder in den Reserve 
räumen oder im Trägerdienst eingesetzt waren. Eine 
neue Seite im Buch der Heldentaten hatten die Zweier 
vollgeschrieben und alle Kämpfer draußen an der Front, 
und wohl auch die Angehörigen daheim, hatten den sehn 
lichsten Wunsch, es möge bald die letzte Seite sein. 
Gesamtverluste im Monat Mai 1917: 
Tot 54, darunter Kadettaspirant Friedrich Becker; 
verwundet 212, dabei Fähnrich Ignaz Kremier, und 
vermißt vier Mann. 
Zwischen 10. und 11. Jsonzoschlacht 
3. Juni bis 17. August 1917 
Pfingsten war gekommen, überall standen die vielen 
Kirschbäume voll von reifen Kirschen, die Sonne meinte 
es besonders gut, zu gut vielleicht, und schön wäre es auf 
der Welt, wenn nur die Menschen etwas friedfertiger 
geschaffen wären. 
Eine Kriegsberichterstatterin der „Neuen freien Presse" 
besuchte unseren Frontabschnitt und ließ es sich nicht neh 
men, auch die exponiertesten Stellen in den vordersten 
Gräben aufzusuchen, um der Heimat ungeschminkte Be 
richte vom Leben in der Front geben zu können. Ob sie 
wohl alles Gesehene auch schreiben durfte? Sei es wie 
immer, die Frau hatte Mut! 
Am 2. Juni wurden vom Kaiser Truppen besichtigt, 
die sich in der 10. Jsonzoschlacht besonders hervorgetan 
hatten. Wir lagen noch in Stellung und daher konnte 
das Regiment nur eine Abordnung zu dieser Inspizie 
rung entsenden. Leutnant Edmund Brauer, Korporal 
Resch und Schütze Hochradl vertraten das Schützenregi 
ment Nr. 2. Der Kaiser sparte nicht mit anerkennenden 
Worten über die Prachtleistuugen der Zweier in den 
verflossenen Kämpfen und beauftragte die Abordnung, 
dem ganzen Regimente die Grüße des Kaisers zu über 
bringen. 
Mit Ende Mai kamen die Ablösungsbefehle zum Re 
gimentskommando, nach welchen die Zweier ans der 
vordersten Frontlinie gezogen und als Divisionsreserve 
in die Mandriaschlucht zurückgehen sollten. Gebirgs- 
schützenregiment Nr. 1 sollte uns am 3. Juni ablösen. 
Leider ergaben sich Schwierigkeiten, da bei diesem Re 
giment choleraähnliche Krankheitsfälle aufgetreten wa 
ren. Auch bei uns gab es viele Magen- und Darm- 
katarrhe als Folge der hinter uns liegenden Kampftage. 
Die Stellungen waren schlecht, die Verpflegung unregel 
mäßig, meist nur bei Nacht und da fast immer kalt. Die 
zu kleinen Kavernen waren auch zu wenig, so daß die 
Mannschaft zusammengepfercht darin nicht einmal die 
Beine ordentlich ausstrecken konnte. In schlechter Luft, 
die Kavernen hatten ja meist nur einen Ausgang, hock 
ten sie nebeneinander auf ihren Rucksäcken, das Gewehr 
in den Händen und die Handgranaten neben sich griff 
bereit liegen und warteten in ständiger Spannung auf 
den Ruf der Grabenposten: „Alarm!" Dazu mußte noch 
jede Nacht im Graben anstrengend an den Stellungen 
und Hindernissen gearbeitet werden. Niemals konnte die 
Kampfgrabenbesatzung sich auch nur einmal ordentlich 
ausschlafen! Wer konnte das alles auf die Dauer ohne 
gesundheitliche Schädigung aushalten? 
Knapp bevor wir aus der Stellung gezogen wurden, 
waren bei der 12. Kompagnie drei italienische Offiziere 
und 180 Mann übergelaufen. Sie kamen so überraschend 
schnell gerannt, daß der Grabenposten zuerst an einen 
Angriff dachte und „Alarm!" schrie. Schon standen die 
Italiener vor den Kaverneneingängeu. Der Schreck war 
groß bei unseren Leuten. Gleich löste sich aber alles in 
Wohlgefallen auf, als erkannt wurde, daß diese „Feinde" 
nicht zum Kampfe gekommen waren, sondern es nicht
	        
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