Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

Deutschland im XIV. und XV. Jahrhundert 
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Art der folgenden entgegen: „Im Jahre i384 nahmen die Burg 
grafen von Nürnberg die Juden gefangen und sperrten die Wohl 
habenden in die Reichsburg, während sie die Besitzlosen in den Rats 
keller steckten. Erst nach Entrichtung eines Lösegeldes wurden die 
Juden wieder auf freien Fuß gesetzt“. In Augsburg mußten sich 
die Juden aus der „Gefangenschaft“ mit 22 000 Gulden loskaufen. 
Durch solche Gewalttaten gelang es zuweilen den bei den Juden ver 
schuldeten Adeligen und Bürgern, ihre Gläubiger zur Verzichtleistung 
auf ihre Schuldforderungen zu zwingen. 
Gar häufig wurden die jüdischen Gläubiger auch auf „gesetz 
lichem“ Wege ausgeraubt, nämlich kraft eines besonderen kaiserlichen 
Befehls, der den Schuldnern die Zinsen und manchmal sogar die Rück 
zahlung des Kapitals erließ. Zu solchen drastischen Maßnahmen pflegte 
mit besonderer Vorliebe der Nachfolger Karls IV., Kaiser Wenzel 
(1878—i4oo), zu greifen, der, dem Worte eines Geschichtsschreibers 
zufolge, sicherlich ein Raubritter geworden wäre, wenn er nicht die 
Kaiserkrone getragen hätte. Im Jahre i385 verlangte Wenzel von 
dem Verbände der rheinländischen und schwäbischen Städte, daß die 
Magistrate den zehnten Teil der bei den Juden eingetriebenen Abgaben 
an den Reichsschatz abführten, was indessen von dem Verbände ver 
weigert wurde. Der aus diesem Anlaß entstandene Konflikt wurde 
durch ein besonderes Übereinkommen beigelegt, das auf einer in Ulm 
einberufenen Versammlung der Delegierten von 38 Städten (Augs 
burg, Basel, Nürnberg, Ulm, Konstanz, Rothenburg u. a.) mit den 
Vertretern des Kaisers getroffen wurde. Nach diesem Übereinkom 
men wurden alle bei Juden verschuldeten Christen ohne Unterschied 
des Standes — Fürsten, Grafen, Ritter, Bürger, Knechte, Bauern, 
Priester — von der Entrichtung der Zinsen für die im letzten Jahre 
aufgenommenen Anleihen sowie von der Rückzahlung eines Viertels 
der früher geliehenen Summen von Rechts wegen befreit; darüber 
hinaus hatten die Magistrate das Recht, den Schuldnern nach eige 
nem Gutdünken auch noch andere Vergünstigungen zu gewähren, 
während sie die Juden zwecks Sicherstellung der von ihnen zu bezie 
henden Einkünfte an ihre Wohnorte fesseln und ihnen die Über 
siedlung in andere Städte untersagen durften; hierbei verpflichteten 
sich die Magistrate, die eigenmächtig Auswandernden zwecks Wie- 
deransiedlung der Flüchtlinge in der von ihnen verlassenen Stadt 
einander auszuliefern. Für die Verleihung dieses Privilegs hatten die
	        
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