Full text: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

§ 45. Verarmung der deutschen Gemeinden im XIV. Jahrhundert 
ren die Bedingungen, unter denen zwischen i35o und 1870 kleine 
Gruppen von Juden nach Augsburg, Nürnberg, Frankfurt, Köln, 
Straßburg und anderen Städten zurückkehrten. 
So verwandelten sich die Juden aus bodenständigen Landesbewoh 
nern in nur geduldete Zuwanderer, die für ihr Wohnrecht bestimmte 
Gebühren zu entrichten hatten. Das Recht, die Luft einer deutschen 
Stadt zu atmen, nach den Gesetzen seiner Religion zu leben sowie 
sich in einigen wenigen Erwerbszweigen zu betätigen, mußte der Jude 
mit klingender Münze erkaufen. Solange er Geld hatte, wurde er, ob 
zwar verachtet, dennoch geduldet; hatte er aber sein Vermögen ein 
gebüßt, so wurde ihm sogar das Recht auf das nackte Dasein ab 
erkannt. Was Wunder also, daß der Jude, schon aus reinem Selbst 
erhaltungstrieb, möglichst viel Geld anzuhäufen suchte? Der durch 
allerlei Beschränkungen eingeengte Kleinhandel vermochte ihm je 
doch kaum ein dürftiges Auskommen zu sichern; andererseits war 
ihm der Zutritt zum Handwerk und zum Großhandel durch die ge 
schlossenen christlichen Zünfte, Kaufmannsverbände und Gilden ver 
baut 1 ). So blieb den Juden nur ein gewinnbringender Beruf übrig, der 
ihnen aus dem Grunde überlassen wurde, weil er bei den Christen 
häufig als verächtlich galt: der Geldhandel, der in jener Zeit des 
teuren Kredits unvermeidlich die Form des Wuchers annehmen 
mußte. Die ganze damalige Lebensordnung schloß den Juden in die 
Sphäre kleinlicher Geldinteressen ein und fesselte ihn an den Beruf 
des Kreditgebers, der von dem Geldbedürftigen umschmeichelt wird, 
um später, wenn die Stunde der Rückzahlung schlägt, von dem säu 
migen Schuldner mit Verwünschungen überhäuft zu werden. Das 
Geld, das den Juden ein Rettungsmittel zu sein schien, gereichte 
ihnen so nur zum Verderben, indem es in gleicher Weise die Hab 
gier der Volksmassen wie die der Regierung reizte. In den zeitgenös,- 
sischen Annalen treten uns denn auch nicht wenig Notizen von der 
!) Die jüdischen Handwerker durften nach deutschem Rechte ausschließlich 
in jüdischen Vierteln und nur für ihre Stammesgenossen arbeiten, so daß sie 
den Christen ihre Erzeugnisse nur ausnahmsweise, unter Umgehung des Gesetzes, 
liefern konnten. An ganz wenigen Orten besaßen die Juden Mühlen und Wein 
berge und trieben Weinhandel; in den meisten Fällen jedoch waren sie auf den 
Kleinhandel mit Kleidungsstücken, Gewürzen und Geflügel angewiesen, während 
die wohlhabenderen unter ihnen sich mit dem Kreditgeschäfte befaßten. Im Statut 
des Münchener Magistrats vom Jahre i/joo heißt es ausdrücklich: „Die Juden 
dürfen sich mit nichts anderem als mit Ausleihen von Geld gegen Zinsen be 
fassen, denn dies ist ihr Geschäft“. 
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