Full text: Die Geschichte des jüdischen Volkes in Europa (5, Europäische Periode ; Das späte Mittelalter ; 1927)

Deutschland im XIV. und XV. Jahrhundert 
3io 
dete neue deutsche Reichsverfassung, die sogenannte „Goldene Bulle“ 
(i356), die die sieben Kurfürsten mit dem Recht der Kaiserwahl aus 
stattete, als besondere Klausel aufgenommen. In demselben Artikel 
der „Goldenen Bulle“, der den Kurfürsten das Recht der Ausbeutung 
der in ihrem Herrschaftsbereiche befindlichen Erz- und Salzgruben 
zusichert, heißt es nämlich wörtlich: „Desgleichen steht ihnen das 
Recht zu, Juden zu besitzen und die Zollabgaben zu erhöhen“. Die 
Juden wurden somit in einem Atem mit Eisenerz und Zöllen genannt 
und diesen nebengeordnet; für die Machthaber bedeuteten sie auch 
in der Tat nur einen gewinnbringenden Einkommenposten, gleichsam 
eine Erzgrube, die es in geschickter Weise auszubeuten galt. Das 
gleiche Recht, „Juden zu besitzen“, wurde durch entsprechende Ver 
einbarungen zwischen den Magistraten, dem Kaiser und den Feudal 
herren auch einer Reihe von Städten verliehen. 
Indessen war diese Wiederherstellung der jüdischen Gemeinden in 
Deutschland von einer vollständigen Restauration sehr weit entfernt. 
Der ihnen im Jahre i349 versetzte Schlag war nicht mehr gutzu 
machen. Große Massen von Flüchtlingen und Verbannten, die mittler 
weile in Österreich, Böhmen und den benachbarten polnischen Ge 
bieten festen Fuß gefaßt hatten, dachten nicht mehr daran, die ver 
lassenen Trümmerstätten wieder aufzusuchen. Auch bedeuteten die 
Bedingungen, die den ins Land zurückkehrenden Juden von der Bür 
gerschaft gestellt zu werden pflegten, eine erhebliche Verschlechte 
rung ihrer früheren Lage: sie durften nunmehr in den ihnen zuge 
wiesenen Stadtteilen Wohnhäuser nur als Mieter beziehen, nicht aber 
käuflich erwerben; sie mußten auf alle Ansprüche hinsichtlich des 
während der Katastrophe enteigneten jüdischen Besitzes und der 
annullierten Schuldverpflichtungen ausdrücklich Verzicht leisten; sie 
hatten ferner neben den dem Kaiser, den Grafen und Bischöfen zu 
entrichtenden Abgaben auch noch eine besondere Steuer an die Stadt 
zu zahlen, mußten sich bei ihren Kreditgeschäften mit mäßigem 
Zinsgewinn begnügen, sich hierbei die Aufsicht der Stadtbehörden ge 
fallen lassen und durften außerdem ohne spezielle Genehmigung nicht 
aus einer Stadt in eine andere übersiedeln. Dabei wurden solche Ver 
träge der Magistrate mit den jüdischen Gemeinden häufig nur für 
eine streng begrenzte Frist abgeschlossen. In den Verträgen wurde 
zuweilen darauf hingewiesen, daß den Juden das Wohnrecht ledig 
lich „zu Nutz und Frommen“ der Stadt bewilligt werde. Dies wa
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.