Volltext: Die Operationen des Jahres 1915 ; [2]. Die Ereignisse im Westen im Frühjahr und Sommer, im Osten vom Frühjahr bis zum Jahresschluß (8. 1932)

II. Die Aufmärsche und ersten Dämpfe 
an der italienischen Front. 
Skizze 1. 
Als Italien am 1. August 1914 seine Neutralität erklärte, bestand 
in Wien von Anfang an die Befürchtung, daß die italienische öffentliche 
Meinung auf den Krieg gegen Österreich-Ungarn hindrängen werde und 
irredentistische Unruhen und Aufstände im Grenzgebiet aufflammen würden. 
General von Conrad hielt es deshalb für erforderlich, eine Abwehrfront 
gegen Italien zu bilden. Am 13. August 1914 wurde der General der 
Kavallerie Nohr beauftragt, die Reichsverteidigung an der Südwestgrenze 
„zu studieren, vorzubereiten und der jeweiligen Lage entsprechend zu organi- 
fleren"1). 
Anfang September 1914 verfügte dieser in Tirol, Kärnten und dem 
Küstenlandes über insgesamt 40 Bataillone, zusammengesetzt aus Marsch« 
und Ersatztruppenteilen, Gendarmerie, Landsturm, Standschützen und 
Freiwilligen-Verbänden, sowie über 20 Geschütze. Mit dieser schwachen 
Truppenmacht beabsichtigte er, bei feindlichem Angriff sich an der Landes- 
grenze bis zum äußersten zu halten. Das Rückgrat seiner Verteidigungs¬ 
front bildeten die von zwar kleinen, aber kampftüchtigen Verbänden be¬ 
setzten ständigen Befestigungsanlagen, die, wenn auch meist veraltet, doch 
bei Beginn der Kämpfe große Bedeutung besaßen, da ihre Abwehr¬ 
kraft von den Italienern weit überschätzt wurde. Die Masse dieser Be¬ 
festigungsanlagen befand sich an der Tiroler Front, wo sie die nach Süden 
weit vorspringende Landesgrenze im Halbkreis umschloffen. An der Kärntner 
Grenze lagen zur Sperrung der über die Drau auf Wien führenden Vor¬ 
marschstraßen die Panzerwerke von Malborgeth und Flitsch sowie zwischen 
ihnen die Befestigungsanlagen am Predil-Paß. Jedes Rückhalts durch 
ständige Werke entbehrte die Isonzo-Front. Rur westlich von Tolmein 
befanden sich einige kurz vor Beginn des Krieges angelegte feldmäßige 
Stützpunkte. In den ersten Kriegsmonaten war hier nur wenig für die 
Sicherung der Landesgrenze durch Befestigungen geschehen in der Be¬ 
fürchtung, Italien dadurch herauszufordern; erst in den letzten Tagen des 
9 Conrad, IV, S. 378 f. 
2) Die folgenden Angaben sind in der Hauptsache dem österreichischen amtlichen 
Kriegswerk: „Ssterreich-Angarns letzter Krieg" und dem „Italienischen Generalstabs¬ 
werk" entnommen.
	        
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