II. Die Aufmärsche und ersten Dämpfe an der italienischen Front. Skizze 1. Als Italien am 1. August 1914 seine Neutralität erklärte, bestand in Wien von Anfang an die Befürchtung, daß die italienische öffentliche Meinung auf den Krieg gegen Österreich-Ungarn hindrängen werde und irredentistische Unruhen und Aufstände im Grenzgebiet aufflammen würden. General von Conrad hielt es deshalb für erforderlich, eine Abwehrfront gegen Italien zu bilden. Am 13. August 1914 wurde der General der Kavallerie Nohr beauftragt, die Reichsverteidigung an der Südwestgrenze „zu studieren, vorzubereiten und der jeweiligen Lage entsprechend zu organi- fleren"1). Anfang September 1914 verfügte dieser in Tirol, Kärnten und dem Küstenlandes über insgesamt 40 Bataillone, zusammengesetzt aus Marsch« und Ersatztruppenteilen, Gendarmerie, Landsturm, Standschützen und Freiwilligen-Verbänden, sowie über 20 Geschütze. Mit dieser schwachen Truppenmacht beabsichtigte er, bei feindlichem Angriff sich an der Landes- grenze bis zum äußersten zu halten. Das Rückgrat seiner Verteidigungs¬ front bildeten die von zwar kleinen, aber kampftüchtigen Verbänden be¬ setzten ständigen Befestigungsanlagen, die, wenn auch meist veraltet, doch bei Beginn der Kämpfe große Bedeutung besaßen, da ihre Abwehr¬ kraft von den Italienern weit überschätzt wurde. Die Masse dieser Be¬ festigungsanlagen befand sich an der Tiroler Front, wo sie die nach Süden weit vorspringende Landesgrenze im Halbkreis umschloffen. An der Kärntner Grenze lagen zur Sperrung der über die Drau auf Wien führenden Vor¬ marschstraßen die Panzerwerke von Malborgeth und Flitsch sowie zwischen ihnen die Befestigungsanlagen am Predil-Paß. Jedes Rückhalts durch ständige Werke entbehrte die Isonzo-Front. Rur westlich von Tolmein befanden sich einige kurz vor Beginn des Krieges angelegte feldmäßige Stützpunkte. In den ersten Kriegsmonaten war hier nur wenig für die Sicherung der Landesgrenze durch Befestigungen geschehen in der Be¬ fürchtung, Italien dadurch herauszufordern; erst in den letzten Tagen des 9 Conrad, IV, S. 378 f. 2) Die folgenden Angaben sind in der Hauptsache dem österreichischen amtlichen Kriegswerk: „Ssterreich-Angarns letzter Krieg" und dem „Italienischen Generalstabs¬ werk" entnommen.