Volltext: Österreich-Ungarns Bestimmung [12]

wieder lernen, sich größere Ziele zu setzen, die Kleinlichkeit und 
Verzagtheit, die Selbstbeschränkung, die zur Schwäche gewor¬ 
den, abzuschütteln. Wir müssen aufräumen mit dem jammern¬ 
den und jämmerlichen Pessimismus. Und wenn bei der Ordnung 
unserer inneren Dinge auch noch so große Hemmungen sich 
auftürmen, haben wir jetzt noch Ursache, ewig diesem schwäch¬ 
lichen Pessimimus uns gefangen zu geben? Spüren wir nicht 
unsere Kraft, hat nicht die große Zeit enthüllt, daß in unserem 
Reiche trotz aller Gegensätze, trotz allen Widerstrebens einzelner 
Teile geschichtlich gewordene Gemeinsamkeiten erwachsen 
sind, die ein unzerstörbares Fundament begründet haben? 
Unser Reich geht nicht dem Abend entgegen, sondern einem 
neuen Tag. Es kommt jetzt erst sein Tag. Was es im Jahr¬ 
hundert des Nationalismus unter den aufreibendsten Mühen 
vorbereitet hat, das muß im Jahrhundert der weltstaatlichen 
Bildungen reisen. Der Blick unserer Nationen und unserer 
Politiker muß sich weiten, denn die ganze Lebensperspektive 
der Monarchie weitet sich. Und unter diesem neuen, weiteren 
Gesichtskreis werden manche der heißesten Gegensätze sich mil¬ 
dern, werden Fragen, die bisher von unendlicher Größe und 
Wichtigkeit schienen, kleiner, einfacher, leichter lösbar werden. 
Man muß und wird den modus vivendi finden, um den 
Weltfragen sich zuwenden zu können. Die Völkermonarchie 
hat jetzt entschlossen und mit großem Sinn ihre alte, große, 
innere Mission zu erfüllen, dann ist sie gerüstet für alles. 
Also Mut, Mut nicht bloß im blutigen Kampfe, Mut auch 
für die schwere Arbeit im Innern. Mut, Zuversicht und Einig¬ 
keit vor allem für uns Österreicher und für uns deutsche 
Österreicher! Für uns ist aber noch eines notwendig. Wir 
müssen an uns selber, an unserem eigenen Wesen Hand an¬ 
legen, alle und jeder einzelne. Wir sind so oft zu lässig, zu 
bequem. Wir räsonnieren und kritisieren, aber lassen die Dinge 
gehen. Wir ironisieren gerne alles, und vergessen dabei auf 
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