Volltext: Der Josephinismus

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Bedeutung des Religiösen für den Staat beruht nicht mehr im 
Transzendentalen, sie ist für ihn nicht mehr jenseitsbezogen — 
obschon formelhaft noch bis zum Beginn der liberalen Ära an 
dieser Fiktion mit höchst realen Auswirkungen 1 festgehalten 
wird —, sondern vor allem wichtig, weil sie auf sittlicher Ebene 
die Glückseligkeit der Menschen entscheidend zu fördern vermag 2 . 
So gesehen ist die Religion aber nur noch ei« Weg, die Wohlfahrt 
der Untertanen zu sichern. Sie wird vom Staate selbst nicht 
weniger praktisch, sogar unmittelbarer ermöglicht. Für das Wohl 
der Menschen, zur Förderung ihrer Glückseligkeit, wirken 
Staat und Religion vereint. In der Theorie ist die Religion 
primär, in der Praxis steht bei dieser Aufgabe der Staat durch 
aus im Vordergrund. Nicht einmal die Erziehungsaufgabe der 
Kirche wird als in sich geschlossen anerkannt. Noch im Laufe 
der josephinischen Entwicklung trat die staatsbürgerliche Er 
ziehung mehr und mehr in den Vordergrund 3 . Der Staat be 
tonte auch das Recht der Aufsicht gegenüber der Kirche, 
wobei freilich die josephinische Praxis an eine Kirchenpolitik 
anknüpfen konnte, die bis in die gegenreformatorische Zeit, 
in manchem sogar darüber hinaus zurückreicht. 
Im Widerspruch zur überlieferten, formal aufrechterhaltenen 
„Metaphysik“ des Staates steht sein Anspruch, Aufsichts- und 
Eingriffsrecht in allen Kirchenangelegenheiten zu haben. Dieser 
Widerspruch erzeugte eine widerspruchsvolle Religionspolicik 
des Josephinertums und macht ihm das Einnehmen eines festen 
Standpunktes in der Folgezeit fast immer unmöglich. 
Nicht zuletzt wird es auch darauf zurückzuführen sein, daß 
es dem Josephinismus nicht möglich wurde, eine umfassende, 
in sich geschlossene Weltanschauung zu entwickeln. Seine welt 
jüdische Ehe auch nach Übertritt eines jüdischen Ehegatten zur christlichen Reli 
gion nicht aufgelöst sei (§ 136). 
*) Es darf nicht übersehen werden, daß der Katholizismus in Österreich bis 1918 
mit zahlreichen Vorrechten ausgestattet blieb. 
2 ) Spätjosephinische Äußerungen über die Aufgabe der Kirche als Erzieherin im 
Dienste des Staates bei Alfred Grundl, Anton Krombholz, 1790-1869. Prag, 
64 fr. 
3 ) Deutlich gelangt das zum Ausdruck in der Schulfrage unter Thun während des 
neoabsolutistischen Jahrzehnts. Vgl. etwa Grundl, Krombholz, 63 ff.
	        
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