Volltext: Der Josephinismus

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Rolle einnimmt. Der ,,Grund einer festen Staatsverbindung“ ist 
zwar noch ,,zuvörderst die Religion“, aber sie dient vom Stand 
punkt des Staates aus gesehen, der sittlichen Unterbauung der Ge 
sellschaft und hat die Aufgabe, der menschlichen Wohlfahrt 1 nach 
den Erkenntnissen der Vernunft zu dienen, deren Verbindlich 
keit auch für den echten Josephiner außer jeder Debatte steht, 
Vernunft lehrt auch die natürlichen Rechte der Menschen 
begreifen, so daß Vernunft und Naturrecht in engerem Zu 
sammenhang 2 erscheinen. Im Verein mit dem Staat, der sich 
durch sie leiten läßt und ihre Geltung zu sichern hat, bieten 
sie die weltlichen, natürlichen Grundlagen für das Wohlergehen 
der Menschen. Ergibt sich schon daraus eine starke Beschrän 
kung der Religion auf die ,,irdischen“ Aufgaben und eine 
Distanz zu dem spezifisch religiösen Anliegen, so bedeutet die 
Auffassung, daß der Staat über die Äußerungen des Religiösen im 
praktischen Leben zu wachen habe, daß die Religion ein 
,,Politicum“ sei, eine weitere Einengung. 
Damit ist aber ein wesentlicher, für die weitere josephinische 
Entwicklung kennzeichnender Widerspruch gegeben. Formal 
bleibt noch der Bezirk des Religiösen und mit ihm die Kirche 
von entscheidender grundlegender Bedeutung, aber nicht mehr 
das Maß aller Dinge. Der Staat wiederum vertritt noch nicht 
den Anspruch, autonom von allen religiösen Zielsetzungen zu 
sein, hat aber praktisch bereits innerhalb des politischen Be 
reiches eine vom Religiösen unabhängige Sphäre geschaffen. 
Zum Ausdruck gelangt dies beispielsweise im josephinischen 
Eherecht. Schon eine Verordnung vom Jahre 1783 trägt der 
Auffassung Rechnung, daß es sich bei der Ehe um einen bürger 
lichen Vertrag handle 3 . Auch die Gesetzgebung der franzis- 
zeischen Zeit hält an dieser Auffassung im Grunde fest. 4 Die 
*) Josef Kropatscheky Kommentar des Buches für Kreisämter als vermehrter Leit 
faden zur Landes- und Kreisbereisung. Wien 1799. 1. Band, 2. Hälfte, S. 496. 
a ) So betont u. a. das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch, daß jeder Mensch ange 
borene, schon durch die „Vernunft einleuchtende Rechte . . . .“ (§ 16) besitze. 
8 ) Vgl. Betrachtungen über die k. k. Verordnung in Ehesachen vom 16. Jänner 
1783. Wien und Prag [1783], 6 ff. - U. a. wird darin auch betont, daß die Ehe erst 
nachträglich zu einem Sakrament erhoben worden sei (ebda., 7 f.). 
4 ) U. a. zeigt uns das die Bestimmung des bürgerlichen Gesetzbuches, daß eine
	        
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