Volltext: Der Josephinismus

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III. 
RELIGION UND WELTANSCHAUUNG 
Als überliefertes Erbe vertritt auch der Josephinismus den 
Standpunkt, daß der religiös-kirchliche Bereich unabhängig, 
in sich gesetzt sei, daß das eigentlich Religiöse jenseits jedes 
staatlichen Zugriffes bleiben müsse. Aber diese Vorstellungen 
erstarren seit dem josephinischen Jahrzehnt mehr und mehr 
zu einer bloßen Form. Dabei haben wir an sich zwei Strömungen 
im josephinischen Verhältnis zu Religion und Kirche zu unter 
scheiden. Die eine ist theistisch-christlich und besitzt zum 
Katholizismus trotz allen Reformwillens ein positives Ver 
hältnis. Daneben ist vom Anfang an eine radikalere, deistisch 
orientierte Bewegung vorhanden, die jedoch ihre eigentliche 
weltanschauliche Position unter dem Zwang der gegebenen Um 
stände meist taktisch verschleierte 1 . Diese Unterschiede waren 
jedoch für die kirchenpolitischen Realitäten zunächst von ge 
ringerer Bedeutung. Für beide Strömungen stehen die ethischen 
Funktionen der Religion im Vordergrund. In der Praxis ist für 
den Josephiner der Staat als Wohlfahrtsanstalt mit seinen sitt 
lichen Aufgaben das schlechthin Entscheidende 2 , während ihm 
gegenüber die Kirche mit ihren jenseitsbezogenen Aufgaben 
im Gegensatz zur vorangehenden Zeit nur eine untergeordnete 
x ) Typisch für diese Haltung ist etwa die Stelle in den „Wöchentlichen Wahr 
heiten“, wo an einer Predigt getadelt wird: „Will er uns das Heidenthum ver 
ächtlich machen, zu einer Zeit, wo man am meisten davon entfernt ist?“ Auch 
Kritik am Lebenswandel Mohammeds wird gerügt. . .Was können wir von dem 
Wandel dieses Religionsstifters für einen Schluß auf seine Religion machen ? 
Wir glauben nicht, daß es nur einem aus seinen Zuhörern jemals eingefallen 
ist, ein Muselmann zu werden^ Aller dieser Vergleichungen mit anderen Reli 
gionen bedarf es nicht, ihre Verkleinerung ist nicht nöthig, . . .“ „Gute moralische 
Sätze“ etwa auch im Alkoran zu lesen, „wird doch nicht unrecht sein?“ WW EX 
(1784), 14-15* 
2 ) Vgl. etwa die Anschauungen Frints bei Anwander, a. a. O., 71.
	        
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