Volltext: Sterbende Welt

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Neunzehntes Kapitel. 
aus der Nebelmauer in den herrlichsten Sonnenschein. Es dunkelte 
schon, als ich die Maorihütten erreichte. Pferde grasten noch, und 
einige Hunde nagten an Schafsknochen. Tatauierte Maori brieten 
Hammelkeulen am Lagerfeuer, und Maoriweiber buken Kuchen. 
Sobald sie mich sahen, erklang von aller Lippen der Ruf: „Here— 
mai, Pakeha, Heremai te Kai!“ (Sei gegrüßt, Fremdling, komm 
zum Mahlel) 
Hier fand ich auch meinen „Führer“ und Begleiter wieder, 
der sich bis zu den Hütten zurückgezogen hatte. Henipoto, die 
Häuptlingsfrau, setzte uns Hammelbraten und in glühender Asche 
gebackene „Kuchen“ vor. Solche Kuchen und eine primitive Art 
von Rohrnudeln befinden sich in meiner ethnographischen Samm— 
lung im Wiener Staatsmuseum; sie stammen von einem mir zu 
Ehren veranstalteten Festmahle des Ngatimahutostammes in 
Hikurangi. — 
Nach dem Mahl mußte ich, obwohl mir alle Glieder schmerzten 
und meine zerschundene Haut wie Feuer brannte, den Erzählungen 
der Maori lauschen und ihre Fragen beantworten.— 
Ein alter Maori erzählte eine ergötzliche Sage vom Ruapehu, 
seinem Freunde Tongariro und dem vertriebenen Taranaki (Mount 
Egmonth. 
Vor vielen Jahren lebten Ruapehu, Tongariro und Taranaki 
freundnachbarlich dort, wo jetzt der Tauposee liegt. Aber ein 
herrliches Götterweib, der Berg Pihanga, störte ihre Ruhe. Ton— 
gariro und Taranaki entbrannten gleicherweise in Liebe zu der 
schönen Jungfrau. Von eifersüchtiger Wut gepackt, überfiel Tara— 
naki den Tongariro und prügelte ihn, daß ihm der Angstschweiß 
als glühende Lava von der Stirne rann. Seither ist der Ton— 
gariro so zerklüftet. 
Aber Tongariro war stärker; obendrein fand er in dem alten 
Ruapehu einen Bundesgenossen. Taranaki mußte fliehen und zog 
auf der Flucht die tiefe Furche des Wanganuitals. Am Ende 
des Wanganuiflusses hielt er inne und blickte zurück; aber da sah 
er das Hohnlächeln seiner Geliebten und die blitzeschleudernden 
Blicke seiner Feinde. Er wanderte also weiter bis Patea, aber 
auch von hier aus sah er noch die Verhaßten. So wanderte er 
noch hundert Meilen weiter bis ans Meer. Hier steht er heute
	        
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