Volltext: Alpenländische Musiker-Zeitung Folge März 1935 (Folge März / 1935)

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sich die Bestimmungen der Verordnung über die Aus— 
übung des Kapellmeister- und MWusiker-Berufes an— 
wenden lassen, da wir keine berufsmäßigen und keine 
erwerbstätigen Kapellmeister im Sinne der Verord— 
nung sindd?? 
Die Absicht der Regierung bei Schaffung dieser 
Verordnung war es, ein Schutzgesetz für den Kapell— 
meisterberuf und für den Musikerberuf zu schaffen. 
Die Zwangsverbände mögen lieber ihre volle Ener— 
gie und Tatkraft dort aufwenden, wo es notwendig ist! 
Sie mögen lieber den größten Feind ihres Standes 
bekämpfen: —I 
die mechanische Musistßß —8* 
die Schallplatfte 
den Lautspreche, 
den Tonfilnm 
O, es gäbe da aussichtsreichere Wöglichkeiten ge— 
nug für die Berufsverbände. Haben aber die Leitungen 
dieser Verbände bereits diese Tatsache übersehen und 
sind tatenlos an diesen Erscheinungen vorübergegan— 
gen, dann haben sie versagt! Dann aber werden wir 
Landmusiker für die Interessen der Berufsmusiker ein— 
treten und ihnen in diesem Kampfe tatkräftig beistehen! 
Nun haben sich die Fälle gemehrt, bei denen Ka— 
pellen, wenn sie spielten, sofort zur Anzeige gebracht 
wurden. Die Behörden müssen annehmen, daß diese 
Anzeigen 'auf Richtigkeit beruhen, da sie von einem 
Organ der Zwangsverbände gemacht werden. Demnach 
haben sich zahlreiche Fälle ereignet, in denen Landka— 
pellmeister und Landmusiker gestraft wurden. In kei— 
aem Falle aber ist das Gesetz übertreten worden. Das 
Gesetz spricht nur von einer erwerbsmäßigen Ausübung 
der Musik, aber niemals von einer lediglichen musika— 
lischen Tätigkeit. Um das Criterium der Erwerbstätig— 
keit zu bilden, müßte der Landkapellmeister für seine 
Tätigkeit als Kapellmeister eigens entlohnt werden u. er 
müßte diese Entlohnung auch vorher vereinbaren. 
Wenn aber von der KUVOe. behauptet wird, daß es 
nicht heißt „vorher vereinbart“, so sei mitgeteilt, daß 
es logisch überhaupt kein Entgelt gibt, das vereinbart 
werden könnte, wenn es nicht vorher vereinbart wür— 
de! Vereinbaren kann man doch logisch nur etwas vor— 
her. Daß man aber auch nachher etwas vereinbaren 
könnte, nachdem die Verpflichtung erfüllt ist, ist unver— 
ständlich. Wir betonen nochmals: Es ist uns kein ein— 
ziger Kapellmeister bekannt, der für seine Kapellmei— 
stertätigkeit ein Entgelt vereinbart! Man möge sich doch 
überzeugen und eine ganz eindeutige Erhebung in die— 
ser VRichtung pflegeägäg. 
Es ist niemand gelungen, eine Bresche zu schlagen 
in die Landmusik! Wir bewahren dieses alte Kultur— 
gut in seiner hergekommenen Form als ein Stück 
Brauchtum und Sitte 
Es hat auch niemand ein Interesse, Althergebrach— 
tes zu zerstören, es hat niemand die Absicht, uns 
Landmusikkapellen zu zerschlagen, im Gegenteil, wir 
fanden überall jenes Verständnis für uns, das uns 
gebührt und dessen wir wert sind 
Gehen wir auf die Anfänge der Wusik zurück, auf 
die Anfänge der Musikpflege am Lande. Ueberall sehen 
wir das lebendige Bestreben der Landbewohner, ihren 
tiefsten und dunkelsten Gefühlen durch die Musik Aus— 
druck zu geben. In jahrelanger Arbeit haben musik— 
liebende Menschen es verstanden, musikfreudigen Men— 
„Alpenländische Musiker-Zeitung“ 
schen Musik zu erlernen. Im Gleichklang der Harmo— 
nien entstanden so mächtige Musikkörper, entstand so 
eine Volksmusikpflege, wie es kein Land als Oester— 
reich sonst aufzuweisen hat. 
Tonfilm, Lautsprecher und Grammophon haben nun 
die lebendige Musik in der Stadt auf ein Minium 
herabgesetzt. Tausende Berufsmusiker sind brot- und 
erwerbslos geworden. Die Cliquen der Berufsorgani— 
sation blieben bestehen und wollen nun nicht verste— 
hen, daß auch sie sich den Verhältnissen entsprechend 
einschränken müssen. 
Würde es wem einfallen, daß man die Beeren— 
und Schwammerlweiber unter das Handelsgesetz stellen 
würde, weil sie Beeren und Schwammerl sammeln und 
diese dann verkaufen? n 
Ja mam könnte diese Betrachtungen weiter fort— 
setzen: Die Bauern auf dem Lande, die Pferde und 
Wagen besitzen, leisten an kleine Bauern (die keine 
ferde besitzen) „Fuhrwerksarbeiten“. Sie verdienen 
»abei im Jahre gewiß mehr als 100 Schilling und es 
vürde niemand einfallen, diese Bauern als „Fuhr— 
verksunternehmer““ zu quälifizieren oder zu besteuern, 
oder von ihnen eine Konzession zu verlangen. I 
Wenn wir nicht die Absicht kennen würden, die 
»ie Zwangsverbände leitet, so wäre es ganz anders und 
vir würden nicht in unbedingter Art von „Volksmusik“ 
eden. Es wurde uns von den Zwangsverbänden fol— 
gendes versicher : :.. 
„Wir wissen, daß es am Lande doch fast gar keine 
erwerbstätigen Musiker und Kapellmeister gibt. Doch 
das soll einen Wandel erfahren. Diese Kapellmeister 
und Musiker müssen eben etwas verdienen und zwar 
oll jeder unbedingt zahlen, der eine Musik will. 
Wenn die Landmusik nun nicht mehr anders als ge— 
jen einen Tarif spielen wird, dann wird sich eben die 
seutige Form aufhören. Es werden sich dann statt 
2830 Musiker nur mehr 8 WMann dazu hergeben 
und es ist besser, wenn diese verdienen, als wenn ein 
zanzer Musikkörper fast umsonst spielen muß.“ 
Diese Gedanken sind uns ganz fremd und zeigen 
⸗ben davon, daß man von einer Landmusik nicht die 
blasseste Ahnung hat. Man will also unsere Landka— 
»ellen in eine Gewerkschaft pressen und dann die Ka— 
»elle zerschlagen um nur mehr einen kleinen Rest 
on wirklich erwerbsstätigen Musikern das Spielen vor— 
zubehalten. — 
Sch sagte schon oft, daß es bei dem ganzen Kampfe 
iur um eine Idee geht. Die Vertreter der einen Idee, 
der „Gewerkschaftsrichtung“, das sind die Zwangsver— 
hände; die Vertreter der Volksmusik, die freie, Musik— 
ausübung auf dem Lande vertretend, das ist der Reichs⸗ 
derband. Deshalb verfolgen wir auch nicht aus Laune 
unser Ziel, sondern aus Ansicht. Wir wollen die 
rrestlose Anerkennung 
der Volksmusik als eigene Musikgattung im Gesetze. 
Mit demselben Vechte, mit dem die Berufsmusiker ein 
Schutzgesetz für sich in Anspruch nehmen, mit dem— 
selben Vechte verlangen wir, daß man unseren Zweig 
der Musik schützt. Wir sind harte Bauernschädeln und 
lassen uns unsere 
alten Bräuche und Sitten. 
wir lassen uns unser altes Herkommen 
nicht rauben! Was wir schützen ist Kultur. Mögen es 
andere auch anders bezeichnen, sie sehen es nur mit 
anderen Augen an, ob bewußt und beabsichtigt, ist uns 
einerlei. Daß wir vorhanden sind, und darüber ist in— 
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