Volltext: Braunauer Kalender 1871 (1871)

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gegeben, hätte sie das Geschehene ungeschehen machen können, abeü 
was half das, die Neue kam zu spät! — Einige heimkehrende Holz¬ 
fäller halten den Hans begegnet, und gefragt: „Wohin noch so spät!« 
seine kurze Antwort war : ,,Auf den Schiern!" sie lachten zum 6er» 
meintliche» Scherz, und ließe» ihn gehen. — Der Leni war aber nicht 
mehr um's Lachen ! sie rang verzweiflungsvoll die Hände, nannte sich 
laut seine Mörderin und beschwor einen Jeden auf ihren Knie'u den 
unglücklichen Hans aufzusuchen. — Am zweiten Tage brachen einige 
Männer nach dem Schiern auf, ich war auch dabei; mit der größten 
Anstrengung und Lebensgefahr arbeiteten wir uns durch den verwehte« 
Steig bis zum ersten Alpenmad hinauf, weiter vorzudringen war un¬ 
möglich. Da fand ich am Rand der gähen Schlernwand den Hut vom 
armen Jägerhans, und wir waren jetzt alle überzeugt, daß <sr ein er- 
barmungswerthes Opfer seiner Lieb zur muthwilligen Leni geworden 
war. — Doch ihr Trutz war auch kläglich gebrochen! 
Als ich ihr den Hm brachte, sagte sie mit einem schrecklich ver¬ 
wirrtem Blick, den ich Zeit meines Lebens nicht vergessen werde: „Ist 
das Alles?!" d'ranf sank sie zusammen, und über drei Tage schwebte 
sie zwischen Leben und Tod. — Als sie das Lager verließ, war's nur 
mehr der Schatten der schönen Leni, sie welkie sichtlich dahin, und in 
der nächsten Fastnacht d'rauf wurde ihr Traum auch richtig erfüllt — 
der Hans hatle sie abgeholt! 
Wie der verschlafene Hans vor zwanzig Jahren in's Dorf zurück 
kam, elend, verwildert, mit verwirrtem Kopf, das ist einem Jeden be= 
sannt, was er aber dreißig Jahr lang getrieben hat, wie er ber ®e^ 
fahr jener Nacht entging, und auf welche Art er sich fristete, das weiß 
nur der dort broben, der Haus selber kann's nicht sagen, denn sein 
Verstand ist dahin. Ihr wißt aber jetzt Alle, tvie’S ihm ergangen ist, 
daß er kein Schatzgräber und Tenfelsbanuer war, wir Ihr glaubt, 
sondern ein braver redlicher Mensch, den nur feine Lieb ins Elend ge« 
stürzt hat; darum seid mitleidig mit ihm, und spiegelt's Euch an sei¬ 
nem Schicksal, und hat a Diernl einen braven Bueb'n. so soll sie Golt 
danken und ihm die Hand geben, und ihn nicht falsch machen durch 
einfältiges Sprödthnn, damit es ihr nicht auch ergeht, wie ber leicht¬ 
fertigen Leni, die Gott trösten mag, Amen." 
Also endigte Veit seine Erzählung — die Lichter waren weit hinab- 
gebrannt und verbreiteten nur mehr eine schwache Helle in der weiten 
Stube, wo das fröhliche Geplauder der Hochzeiisgäste einem bangen 
Schweigen Platz gemacht hatte. Da richteten sich unwillkürlich 'dis 
Blicke Aller in die Ecke, wo der verschlafene Hans in seiner vorigen 
Stellung noch unbeweglich da faß. Veit ging auf ihn zu, unb indem 
er ihm fachte auf die Achsel klopfte, sprach er: „Geh' Han's geh jetzt 
auch schlafen!" Der schlief aber schon gar fest und gut — die Engel 
des Herrn hatten ihn abgeholt in das Land des ewigen Frühlings! 
„Liebe Nachbarn!" sagte Veit mit schwer bekämpfter Rührung -r 
feierlichem Tone, „der verschlafene Hans wird wvbl jetzt bei feiner 
Leni sein — er hai’s überstanden!" —
	        
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